Die Trinity Verschwörung
die nötige Vorsicht walten lassen, an das Risiko gedacht, observiert zu werden?
» Ich geh schnell rüber zur Bar«, antwortete Gaddis. » Wie mögen Sie ihn?«
Er brauchte zehn Minuten, um sich zum Tresen vorzuarbeiten, zwei Jamesons auf Eis zu bestellen und an den Tisch zurückzukehren. Wilkinson blätterte in dem Buch über Jelzin.
» Taugt es was?«
» Nicht viel.« Gaddis nahm Platz und stellte die Whiskys vor sich auf den Tisch. » Fliegenbeinzählerei.«
Im Hintergrund spielte Musik, Lounge Jazz, aber in keiner Lautstärke, die Gespräche behindert hätte. Sie mussten nicht lauter sprechen, um Musik und Gemurmel der Gäste zu übertönen. Nach einem kurzen Austausch über die Hochzeit bat Wilkinson Gaddis um » den Hintergrund« seiner Verbindung zu Katya, wie er sich ausdrückte. Noch immer war seine Art unerwartet angenehm und kooperativ, und Gaddis verstand die Frage als weiter gefasste Aufforderung, alles darzulegen, was er über ATTILA wusste. Also erzählte er die ganze Geschichte: von Charlottes plötzlichem Tod bis hin zu den Morden an Calvin Somers und Benedict Meisner; dass Tanya Acocella eine MI 6-Agentin war, die sich als Archivarin in Kew getarnt hatte. Wilkinson unterbrach ihn nur selten, entweder um eine Einzelheit zu klären oder um Gaddis zu bitten, den einen oder anderen Satz zu wiederholen, der in einem kurzzeitigen Anstieg des Lärmpegels im Lokal untergegangen war. Er schien über nichts, was Gaddis ihm berichtete, sonderlich überrascht zu sein, und blieb die ganze Zeit über unergründlich in seinen Reaktionen. Als Gaddis zum Beispiel davon erzählte, was sich in Meisners Wohnung in Berlin zugetragen hatte, nickte er nur mit dem Kopf, murmelte: » Verstehe«, und starrte dabei in das Eis am Boden seines Glases. Gaddis wurde zunehmend klarer, dass er in Augenschein genommen wurde, wie von einem Vater, der sich ausführlich Zeit nimmt, etwas über die Stärken und Schwächen seines zukünftigen Schwiegersohns zu erfahren. Zweifellos hatte Wilkinson noch nicht entschieden, ob er das Füllhorn seines Wissens über einem Autor ausschütten sollte, den er nicht kannte und zu dem er folglich auch kein Vertrauen hatte. Also trug er das leicht überhebliche Selbstbewusstsein eines Mannes zur Schau, der jederzeit problemlos aus diesem Gespräch aussteigen konnte.
» Und dann sind Sie dahintergekommen, dass es sich bei Neame und Crane um ein und denselben Mann handelt?«
Wilkinson Frage klang nicht offen herablassend, doch war klar, dass er sich über Gaddis mokierte: Ein angeblich intelligenter Akademiker hatte sich von einem pensionierten Spion hinters Licht führen lassen.
» Was soll ich dazu sagen?«, erwiderte er und hob in gespielter Kapitulation beide Hände. Er hielt es für die vernünftigste Strategie, möglichst offen und ehrlich zu sein. Einen mit allen Wassern gewaschenen Mann wie Wilkinson täuschen zu wollen, schien ihm wenig sinnvoll. » Ich bin auf einen Meisterlügner hereingefallen. Mein einziger Trost ist es, dass ich wahrscheinlich nicht der Erste war, der seiner Eloquenz auf den Leim gegangen ist.«
» Nein«, bestätigte Wilkinson. » Das sind Sie ganz gewiss nicht. Und vermutlich auch nicht der Letzte.« Er nippte an seinem Glas und schien Blickkontakt zu einer blonden Amerikanerin aufzunehmen, die ganz in der Nähe ihres Tisches stand. » Aber es erscheint mir absolut schlüssig, dass Eddie seine Geschichte auf diese Weise unter die Leute bringen wollte. Schließlich war er fast sein Leben lang zwei Personen.«
Es war seltsam erregend, Wilkinson in so vertrautem Tonfall über Eddie reden zu hören, doch Gaddis’ Hoffnung, noch mehr von Wilkinson zu erfahren, wurde schnell gedämpft.
» In dem Brief schreiben Sie, Katya könnte ermordet worden sein.« Wilkinson flößte einem unweigerlich Respekt ein, und als er Gaddis jetzt fest in die Augen blickte, musste dieser sich zwingen, dem Blick nicht auszuweichen. » Auf welche Indizien stützt sich diese Vermutung?«
» Sie passt in ein Muster«, antwortete Gaddis unsicher. Es war seine erste wenig überzeugende Aussage an diesem Abend.
» Ich bin da nicht Ihrer Meinung.« Die Entschiedenheit in Wilkinsons Stimme machte klar, dass er keinen Widerspruch duldete. » Hätte der FSB Katya unter Beobachtung gehabt, wäre jemand der Spur meiner Dokumente in Ihr Haus gefolgt, und Sie wären inzwischen auch tot.«
» Vielleicht«, sagte Gaddis, dabei wusste er nur zu genau, wie korrekt Wilkinsons Einschätzung war.
»
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