Die Trinity Verschwörung
in einem zugeklebten Umschlag unter der Wohnungstür hindurchzuschieben.
Verehrte Ludmilla Tretiak,
ich bitte Sie, mir die Art der Kontaktaufnahme nachzusehen. Ich bin Historiker am University College in London. Außerdem war ich ein Freund von Charlotte Berg, und deshalb weiß ich, was Ihrem Mann 1992 in St. Petersburg zugestoßen ist. Aus Gründen, für die Sie Verständnis haben werden, möchte ich Ihre Sicherheit nicht dadurch gefährden, dass ich Sie telefonisch zu erreichen versuche oder mich gar persönlich in Ihrer Wohnung vorstelle.
Ich bin informiert über die Ereignisse, die zum Tod Ihres Mannes geführt haben. Sollten Sie Interesse daran haben, mit jemandem darüber zu sprechen, finden Sie mich für den Rest des Tages im Coffee House auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich trage ein blaues Hemd und habe vor mir auf dem Tisch ein Exemplar der Moscow Times liegen. Sollten Sie mich lieber via E-Mail kontaktieren wollen, finden Sie die Adresse unten auf dieser Seite.
Hochachtungsvoll,
Dr. Samuel Gaddis
Nachdem Gaddis den Brief in die Wohnung geschoben hatte, drückte er zweimal in schneller Folge auf den Klingelknopf, bevor er mit dem Lift zurück ins Erdgeschoss fuhr. Er war sich nicht sicher, ob er für den Brief den richtigen Ton gefunden hatte. Ludmilla Tretiak war am Telefon freundlich und höflich gewesen, aber er wusste nicht genau, wie alt sie war und ob er den Brief nicht zu steif formuliert hatte. Würde sie sich mit einem Fremden treffen, von dem sie nicht wusste, ob sie ihm vertrauen konnte? Womöglich trug sie den Brief direkt zum FSB , möglicherweise mit katastrophalen Folgen. Doch das Risiko musste er eingehen.
Es stellte sich heraus, dass seine Sorge unbegründet war. Zwanzig Minuten, nachdem er im hinteren Teil des Coffee House Platz genommen hatte, kam Ludmilla Tretiak herein, schien Gaddis auf der Stelle erkannt zu haben und steuerte auf seinen Tisch zu. Sie war jünger, als er sich vorgestellt hatte, kaum älter als vierzig, und wirkte beinahe amüsiert, als sie seine ihr entgegengestreckte Hand schüttelte und den flaschengrünen Mantel auszog, der um die Hüften von einem schmalen Ledergürtel zusammengehalten wurde.
» Ich wünsche Ihnen Gesundheit«, sagte er auf Russisch. » Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie gekommen sind.«
» Na, wundert Sie das? Ihr Brief hat mich neugierig gemacht, Doktor Gaddis.«
Sie trug Designerjeans und eine dunkelrote Bluse, die sich wie maßgeschneidert an ihren blassen schlanken Körper schmiegte. Gaddis fühlte sich an einen bestimmten Typus verheirateter Frauen in den wohlhabenderen Vierteln Kensingtons und Notting Hills erinnert, gut erhalten in der Würde der frühen Lebensmitte, manikürt, unterernährt. Er überlegte, ob Ludmilla wieder geheiratet hatte, aber sie trug keinen Ring. Ob sie Kinder mit Tretiak gehabt hatte? Die müssten längst Teenager sein, eingeschult in Moskau.
» Entschuldigen Sie die Heimlichkeit«, sagte er. Er benutzte das Wort » uhlowka« für Heimlichkeit, und für den Bruchteil einer Sekunde leuchtete in Ludmilla Tretiaks ruhigen Augen Anerkennung für die Eloquenz seines Russisch auf.
» Man muss Sie vor mir gewarnt haben«, erwiderte sie.
War das wirklich dieselbe Frau, mit der er in der Londoner Telefonzelle gesprochen hatte? Sie sprach leise, aber seltsam spielerisch. Als er versuchte, sich an ihre Stimme am Telefon zu erinnern, ließ sein Gedächtnis ihn im Stich.
» Soviel ich weiß, hatten Sie sich letzten Monat mit Charlotte in Moskau verabredet«, sagte er.
» Das ist richtig. Und dann hab ich nichts mehr von ihr gehört.« Ludmilla zog die Lederhandschuhe aus und legte sie auf den Tisch. Ihre Finger waren spindeldürr, die Nägel abgekaut. » In Ihrem Brief schreiben Sie, dass sie eine Freundin von Ihnen war. Es geht ihr doch gut?«
» Ich muss Ihnen leider sagen, dass Charlotte plötzlich verstorben ist.«
Ludmillas Reaktion erinnerte ihn an Hollys Ungerührtheit gegenüber dem Tod ihrer Mutter. » Mein Beileid«, sagte sie tonlos.
Es verlangte ihn nach einer Zigarette, dabei hatte er sich gerade mal wieder geschworen, damit aufzuhören. Angefangen hatte es auf dem Aeroflot-Flug: Obwohl das Rauchen an Bord natürlich verboten war, hatten die Sitzpolster so stark nach Nikotin gerochen, dass er ernsthaft darüber nachgedacht hatte, sich in 35 000 Fuß Höhe auf der Toilette eine anzustecken.
» Hat Charlotte Ihnen gesagt, warum sie mit Ihnen sprechen wollte?«
» Natürlich.« Eine
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