Die Trinity Verschwörung
Oberst des KGB weitergegeben hatte. Der Mann ist schließlich in den Westen übergelaufen.«
» Ach ja?« Tretiaks Stimme klang wie ferner Vogelgesang. » Wer war das?« Sie hatte keinerlei Interesse an der Antwort.
» Nicht wichtig.« Gaddis nahm seinen ganzen Mut zusammen. » Darf ich Sie fragen, wie Ihr Mann ums Leben gekommen ist?«
Ludmilla Tretiak schaute zur Seite, erschrocken über diesen Fremden aus England, der plötzlich die Grenze zu einem Bereich ihrer Vergangenheit überschritt, der immer noch unverarbeitet und privat war. Gaddis merkte es und entschuldigte sich für seinen Mangel an Takt.
» Ist schon gut«, sagte sie. » Wenn ich nicht darüber reden wollte, wäre ich nicht heruntergekommen. Ich wusste aus Ihrem Brief, dass es um solche Themen gehen würde. Und dass er mich neugierig gemacht hat, hab ich ja schon gesagt.«
Das gab Grund zur Hoffnung. Gaddis bat sie, die Geschichte zu erzählen.
» Da gibt es nicht viel zu erzählen. Eines Nachts ist er auf dem Heimweg zu unserer Wohnung in St. Petersburg von drei Männern erschossen worden.«
» Von drei Männern? Hat man sie denn identifiziert? Vor Gericht gestellt?«
Sie lächelte resigniert. » Natürlich nicht. Diese Männer waren Gangster. Mafia sagt man dazu. Es war ein simpler Racheakt gegen einen hohen Mitarbeiter des KGB .«
Laut Neame war Tretiak vom KGB ermordet worden, aber seine Witwe erzählte die Geschichte andersherum. Gaddis vermutete, dass man ihr die Unwahrheit gesagt hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte der KGB die Drecksarbeit von ein paar geheuerten Petersburger Gangstern machen lassen. Diese These erschien wesentlich plausibler: Die Verbindungen zwischen russischem Geheimdienst und dem organisierten Verbrechen waren gelinde gesagt fließend.
» Ein Racheakt wofür?«, fragte er.
» Woher soll ich das wissen?« Tretiak zuckte die Achseln und schaute hinaus auf den Verkehr. » Ich sage ja, dass ich mit den Geheimnissen der Arbeit meines Mannes nicht vertraut war.«
Gaddis schaute in seinen lauwarmen Tee und trank einen Schluck, um seine Hände zu beschäftigen. Tretiak sah zum Fenster hinaus wie ein Teenager, der sich bei einem Rendezvous langweilt.
» Interessant«, sagte er. » Ich habe ganz andere Informationen über die Todesumstände Ihres Mannes.«
» Erzählen Sie.«
Gaddis versuchte nicht, das Geklapper und Stimmengewirr des Cafés zu übertönen. Aus einer kaputten Stereoanlage war Musik zu hören, begleitet von ständigem Zischen der Lautsprecher. » Hören Sie, ich weiß, dass es schwer für Sie ist. Und ich weiß auch, dass Sie keinen Grund haben, mir zu trauen …«
» Doktor Gaddis …«
Er ließ sich nicht unterbrechen.
» Aber ich habe folgende Version gehört. Die Quelle, die Ihrem Mann anvertraut war, arbeitete seit fast fünfzig Jahren für den russischen Geheimdienst. Sein Codename beim KGB war ATTILA . Über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten war er der wichtigste westliche Spion in den Annalen der Moskauer Zentrale – aber er war ein Doppelagent.«
Tretiaks Lippen teilten sich langsam, zogen Speichelfäden wie einen feinen Klebstoff in die Länge.
» Woher wollen Sie das wissen?«
» Ich fürchte, das darf ich Ihnen nicht verraten.«
» Sie können mir nicht sagen, wer eine solche Beschuldigung erhoben hat?«
» Mrs. Tretiak, ich versuche Ihnen klarzumachen, dass der KGB die Existenz ATTILAS verheimlichen wollte. Weil die Demütigung, vom britischen SIS viele Jahre lang getäuscht worden zu sein, einfach zu groß war. Deshalb haben sie jeden ermordet, der mit ATTILA zu tun hatte. Ihr Mann wurde ermordet, damit er nicht reden konnte.«
» Was hatte Crane für eine Position in Berlin?«, fragte sie. Fältchen waren um ihre Augen herum sichtbar geworden, weitere Risse in der Maske. Gaddis fiel die entsprechende Passage aus dem Nachruf in der Times wieder ein.
» Er war im Aufsichtsrat einer deutschen Investmentbank mit Geschäftsstellen in Berlin.«
Sie stieß einen unterdrückten Fluch aus. Zum ersten Mal roch Gaddis den Alkohol in ihrem Atem, scharf und unverkennbar.
» Warum fluchen Sie?«
» Warum ich fluche?« Sie lachte so laut, dass mehrere Gäste sich nach ihnen umdrehten. » Weil es noch gar nicht lange her ist, dass man mir verboten hat, über diese Angelegenheit zu sprechen.«
Gaddis traute seinen Ohren nicht. Warum hatte sie dann so unbekümmert auf seinen Brief reagiert? Warum war sie in das Café heruntergekommen?
» Wie meinen Sie das?«
» Das war
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