Die Trinity Verschwörung
vor Meisners Wohnung auf dem Beifahrersitz des Audi und schrieb ihnen Nachrichten. Zu ihrem Ärger hatte EISBÄR sein Handy im Novotel gelassen. Damit fiel die Liveübertragung seines Gesprächs mit Meisner ins Wasser.
Das Café war bei den Familien des Viertels beliebt. Auch um sieben Uhr abends saßen noch junge Mütter in der kühlen Herbstluft und stillten ihre Babys, schaukelten jugendliche Väter ihre Kleinkinder auf dem Schoß. Aber die Bedienung war langsam. Gaddis saß seit fünf Minuten bei Meisner, als sich endlich ein in die Jahre gekommenes Hippiemädchen an ihren Tisch bequemte und er eine Tasse Kaffee bestellen konnte.
» Sie trinken Kaffee ?«, fragte ein fassungsloser Meisner. » So spät am Tag?«
Gaddis erklärte ihm, dass es ein langer Tag gewesen sei – » Ich bin seit fünf auf den Beinen« –, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Speisekarte. Das Café bot die Sorte Speisen an, die er nicht ausstehen konnte: Eintopfgerichte, Bohnensuppen, mit Zuckererbsen oder Pinienkernen gesprenkelte Tofusalate. Ein Königreich für ein saftiges Rindersteak.
» Was darf man unter Bio-Bratwurst verstehen?«, fragte er, aber der Doktor starrte ihn nur ausdruckslos durch die Schildpattbrille an, der abwesende Blick eines Mannes, dem die unbesonnenen Entscheidungen der Vergangenheit zu schaffen machten. Gaddis sah hilfesuchend auf die Speisen an den Nachbartischen. Irgendetwas Genießbares musste es hier doch geben. Neben ihm stocherten zwei Skandinavier misstrauisch in ihrem Rucolasalat. Über ihren Köpfen schwebten die bunten Glühbirnen einer an zwei Kastanien befestigten Lichterkette. Ein junges Paar auf der anderen Seite – der Kleidung nach Briten – löffelte zwei riesige Schüsseln Zwiebelsuppe leer.
Gaddis erstarrte.
Die Frau hatte er heute schon gesehen: Am Nachmittag hatte sie am südlichen Ende des Holocaust-Mahnmals gestanden, auf ein Fahrrad gestützt, und an ihm vorbei zum Reichstag hinübergeschaut. Sie war ihm aufgefallen, weil sie den gleichen gelben Mantel trug wie Holly. Und ebendieser Mantel hing jetzt über der Rückenlehne ihres Stuhls.
Wurde er observiert? Gaddis’ Kaffee kam, und er war froh, seine Aufmerksamkeit jetzt auf die Bedienung richten zu können. Eine winzige Makrone lag auf der Untertasse, und er verspeiste sie in dem Versuch, ungezwungen zu erscheinen.
» Mist«, sagte Meisner.
» Was denn?«
» Ich habe meine Zigaretten vergessen.« Der Doktor klopfte die Taschen seines Jacketts ab. » Macht es Ihnen was aus, wenn ich schnell in meine Wohnung zurücklaufe? Es ist gleich um die Ecke.«
War das ein Teil des Überwachungsszenarios, ein geplantes Intermezzo? Arbeitete Meisner mit den Briten zusammen? Gaddis wollte ihm schon eine von seinen Zigaretten anbieten, als ihm einfiel, dass Meisners Vorschlag ihm Gelegenheit bot, das Café zu verlassen.
» Darf ich ehrlich sein?«, fragte er.
Meisner runzelte die Stirn. » Bitte?«
» Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir unser Abendessen in ein anderes Lokal verlegen?«
» Ist Ihnen kalt, oder was? Die haben hier Decken.«
» Nein, mir ist nicht kalt. Ich würde nur gerne meinen Kaffee austrinken, mit Ihnen die Zigaretten holen gehen und woanders zu Abend essen.«
Plötzlich verstand Meisner, worauf Gaddis hinauswollte. Seine Backenknochen traten hervor. Seiner leisen Stimme war die Anspannung anzuhören.
» Sie halten es für möglich, dass …«
Gaddis fiel ihm ins Wort. » Ja, in der Tat, das halte ich für möglich.«
Sie erhoben sich sofort. Gaddis trank seine Tasse im Stehen leer, schob einen Zehn-Euro-Schein unter den Zuckertopf und verließ die Terrasse, Meisner im Schlepptau. Nach fünfzig Metern drehte er sich auf der Liegnitzer Straße um und sah den Begleiter der Frau mit dem gelben Mantel die Straße überqueren. Er hielt sich ein Mobiltelefon ans Ohr.
» Ich fürchte, EISBÄR hat uns erkannt«, sagte Ralph zu Tanya. Er war beschämt und schäumte vor Wut. » Scheiße! Er kommt auf dich zu. Offenbar sind sie zu Meisners Wohnung unterwegs.«
» Lassen Sie uns in meine Wohnung gehen, und dann überlegen wir, was wir machen«, murmelte Meisner. Es beunruhigte Gaddis, wie schnell sein Gefährte in helle Panik geraten war. » Warum haben Sie bloß diese Leute angeschleppt? Alles war gut, bis Doktor Gaddis auftauchte.«
Gaddis drehte sich noch mal um. Es schien ihnen niemand zu folgen. Am liebsten wäre er zu dem Café zurückgegangen und hätte das Pärchen an dem Tisch zur Rede gestellt. Wer
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