Die Troja-Mission
Drahtschere heraus und fing an, das Geflecht zu zerschneiden.
»Wir lösen uns ab, wenn einer schlappmacht.«
Pitt schaffte nur ein paar Zentimeter, dann konnte er die Schere kaum noch zusammendrücken. Er schob sich zur Seite und reichte Giordino die Schere. Um ein Haar wäre sie ihm aus den blutigen Fingern geglitten. Pitt hielt kurz die Luft an, aber Giordino fing sie im letzten Moment auf, ehe sie in den dunklen Schacht hinabfiel.
»Halt sie gut fest«, sagte Pitt mit einem grimmigen Lächeln. »Du willst doch die ganze Kraxelei nicht noch mal durchmachen.«
»Eher sterbe ich«, grummelte Giordino. Er schnitt knapp zehn Minuten lang, eher er sich von Pitt ablösen ließ.
Fast eine Stunde dauerte es, bis sie den Draht so weit zerschnitten hatten, dass sie sich durch die Öffnung zwängen konnten. Pitt war im ersten Moment völlig geblendet, als er unverhofft im prallen Sonnenschein stand. Er setzte seine Sonnenbrille auf, wartete einen Moment, bis sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, und stellte dann fest, dass er sich in einem kreisrunden Raum befand, dessen Außenwand vom Boden bis zur Decke verglast war.
Giordino wand sich noch durch den Maschendraht, als Pitt einmal kurz herumging und auf das gleißende Wasser des Sees und die umliegenden Inseln blickte.
»Wo sind wir rausgekommen?«, fragte Giordino.
Pitt drehte sich um und grinste ihn an. »Du wirst es nicht glauben, aber wir sind auf einem Leuchtturm.«
»Auf einem Leuchtturm!«, knurrte Sandecker, als Pitt ihm am Telefon kurz die Lage schilderte. Doch sein Tonfall verriet, wie erleichtert er war, dass Pitt und Giordino sich heil und wohlbehalten zurückmeldeten.
»Ja, Sir«, erwiderte Pitt via Satellitentelefon. »Specter hat ihn gebaut. Der steht anscheinend auf Attrappen.«
»Attrappen?«
»Bauwerke, die so aussehen, als wären sie Jahrhunderte alt, eine Burgruine zum Beispiel«, erklärte Gunn, während er sich über den Telefonhörer beugte.
»Soll das etwa heißen, dass er den Leuchtturm eigens gebaut hat, um den Lüftungsschacht zu tarnen, der aus dem Tunnel nach oben führt?«
»Genau«, antwortete Pitt.
Sandecker drehte eine Zigarre zwischen seinen Fingern. »Ihre Geschichte klingt völlig aberwitzig.«
»Aber sie stimmt haargenau«, versetzte Pitt.
»Eine Tunnelbohrmaschine, die sich Tag für Tag fast anderthalb Kilometer weit durchs Gestein fräst?«
»Was wiederum erklärt, wie er in vier Jahren diese gut zweihundertfünfzig Kilometer langen Tunnel ausschachten konnte.«
»Aber wozu?«, wandte Sandecker ein. »Was soll das Ganze, wenn dort keine Eisenbahn verkehrt?«
»Al und ich sind uns noch nicht ganz schlüssig. Die Pumpen an den Ausgängen deuten unserer Meinung nach darauf hin, dass man Wasser einleiten will. Aber was man damit bezweckt, ist uns auch noch nicht ganz klar.«
»Ich habe unser Gespräch aufgezeichnet«, sagte Sandecker. »Ich setze Yeager auf die Sache an. Vielleicht fällt ihm irgendetwas dazu ein, bis Sie wieder hier sind und uns umfassend Bericht erstatten können.«
»Ich habe auch etliche Fotos geschossen.«
»Gut, wir können jedes Beweisstück gebrauchen.«
»Dirk?«, schaltete sich Gunn ein.
»Ja, Rudi.«
»Ich habe euch geortet. Ihr seid nur knapp fünfzig Kilometer von San Carlos entfernt. Ich werde einen Helikopter chartern. In etwa zwei Stunden müsste er bei eurem Leuchtturm sein.«
»Al und ich können es kaum abwarten, endlich mal wieder unter eine Dusche zu kommen und was Ordentliches zu futtern.«
»Für solche Sperenzchen haben wir keine Zeit«, versetzte Sandecker. »Der Hubschrauber wird euch auf schnellstem Weg zum Flughafen von Managua bringen, wo ein NUMA-Jet für euch bereitstehen wird. Waschen und verpflegen könnt ihr euch, wenn ihr hier seid.«
»Sie sind ein harter Mann, Admiral.«
»Lassen Sie es sich eine Lehre sein«, erwiderte Sandecker mit einem durchtriebenen Grinsen. »Eines Tages könnten Sie auf meinem Platz sitzen.«
Pitt unterbrach die Verbindung. Er hatte keine Ahnung, was Sandeckers Anspielung zu bedeuten hatte. Er setzte sich neben Giordino, der vor sich hin döste, wusste nicht recht, wie er seinem Freund beibringen sollte, dass er in nächster Zeit nichts zu essen bekommen würde.
31.
Nach dem Gespräch mit Pitt wartete Sandecker geduldig, während Gunn einen Hubschrauber besorgte, der seinen Direktor für Spezialprojekte von dem Leuchtturm abholen sollte. Danach verließen beide das Büro des Admirals und begaben sich in den einen
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