Die Troja-Mission
Minuten noch, dann war sie leer.
Summer und Dirk reichten einander das Mundstück, atmeten ruhig und gleichmäßig und achteten darauf, dass sie so wenig Luft wie möglich verbrauchten. Er warf einen Blick auf das orangefarbene Zifferblatt seiner Taucheruhr, einer SU 300T, die ihm sein Vater geschenkt hatte: 19:47. Seit sechzehn Stunden saßen sie mittlerweile in dem Habitat fest, ohne jede Verbindung zur Außenwelt.
Summer döste vor sich hin. Sie schlug nur kurz die Augen auf, wenn er ihr den Atemregler reichte. Mit einem Mal aber meinte sie etwas zu sehen, draußen vor dem Ausguck. Benommen, wie sie war, dachte sie zunächst, es wäre nur ein Fisch. Dann aber hörte sie die dumpfen Schläge, so als ob jemand an die Plexiglaskuppel klopfte. Sie setzte sich auf und blickte über Dirks Schulter hinweg.
Da draußen war ein Taucher. Er drückte die Brille ans Fenster und winkte ihnen zu. Im nächsten Moment stieß ein weiterer Taucher zu ihm, der ausgelassen winkte, als er sah, dass sie noch lebten.
Summer meinte zunächst, ihr Bewusstsein wäre bereits getrübt und spiegle ihr Trugbilder vor. Doch dann wurde ihr klar, dass da draußen wirklich Männer waren. »Dirk!«, rief sie. »Sie sind da! Sie haben uns gefunden.«
Er drehte sich um und blinzelte benommen durch das Bullauge. Dann aber erkannte er die beiden Taucher. »O mein Gott, das sind Dad und Onkel Al!«
Lachend drückten sie ihre Hände an das Bullauge, als Pitt mit dem Handschuh über die Plexiglasscheibe strich. Dann nahm er eine Schiefertafel von seinem Gürtel, schrieb zwei Worte darauf und hielt sie hoch:
EURE LUFT?
Dirk wühlte hektisch in dem Durcheinander in
Pisces
herum, bis er einen Filzstift und einen Notizblock fand. Er schrieb in großen Lettern und drückte den Block an die Scheibe.
NOCH 10 BIS 15 MINUTEN
»Das wird ziemlich eng«, meldete sich Giordino über Kopfhörer.
»Verdammt eng«, pflichtete Pitt ihm bei.
»Das Bullauge kriegen wir nie und nimmer auf, ehe ihnen die Luft ausgeht.« Giordino hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, aber er musste darauf hinweisen. »Das kann man allenfalls mit einer Rakete knacken. Und selbst wenn wir’s aufkriegen, würde das Wasser in dieser Tiefe mit einer derartigen Wucht einbrechen, dass es wie eine Rohrbombe wirkt. Der Druck würde sie glatt zermalmen.«
Giordino wunderte sich immer wieder aufs Neue, wie kühl und besonnen Pitt selbst in scheinbar auswegloser Lage blieb. Ein anderer Mann hätte womöglich die Nerven verloren, wenn er feststellen musste, dass sein Sohn und seine Tochter in wenigen Minuten eines qualvollen Todes sterben würden. Aber nicht Pitt. Ruhig und nachdenklich schwebte er vor dem Bullauge, bewegte nur ab und zu die Flossen, wie ein im Wasser stehender tropischer Fisch. Dann meldete er sich laut und deutlich über Funk.
»Paul, kannst du mich verstehen?«
»Ich höre dich und weiß über die Lage Bescheid. Was kann ich von hier aus tun?«
»Ich nehme an, du hast eine Morphon-Unterwasserbohrmaschine in deinem Werkzeugschrank.«
»Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir eine an Bord haben.«
»Sorg dafür, dass sie am Reep bereitliegt, wenn wir kommen, und lass den größten Bohrer einsetzen, den du hast.«
»Sonst noch was?«
»Wir brauchen noch zwei Pressluftflaschen mit Atemreglern.«
»Liegt alles bereit, wenn ihr kommt.«
Dann schrieb Pitt wieder etwas auf seine Schiefertafel und hielt sie vor das Bullauge:
HALTET DURCH. SIND IN 10 MINUTEN ZURÜCK
Dann stiegen er und Giordino auf.
Summers Hochstimmung verflog mit einem Mal, als Pitt und Giordino verschwunden waren. Eben hatte sie noch frischen Mut geschöpft, doch jetzt verlor sie wieder jede Hoffnung.
»Ich wünschte, sie wären dageblieben«, sagte sie leise.
»Keine Sorge. Sie wissen, wie es um unsere Luft bestellt ist. Die kommen gleich wieder.«
»Und wie sollen sie uns deiner Meinung nach hier rausholen?«, fragte Summer.
»Wenn jemand ein Wunder bewirken kann, dann sind es Dad und Al.«
Sie warf einen Blick auf die Anzeige der Pressluftflasche. Die zitternde Nadel stand kurz vor dem Anschlag. »Dann sollten sie lieber schnell machen«, murmelte sie leise.
Barnum hatte die Reserveflaschen und die Morphon-Unterwasserbohrmaschine bereitliegen, als Pitt zum Schiff zurückraste. Gekonnt zog er das Boot auf engstem Raum herum und brachte es unmittelbar neben dem Fallreep zum Stehen.
»Danke, Paul«, sagte er.
»Ist mir ein Vergnügen«, erwiderte Barnum mit einem knappen
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