Die Troja-Mission
Lächeln.
Die Geräte waren kaum an Bord verstaut, als Pitt die Gashebel nach vorn stieß und zurück zu der Boje preschte, die über
Pisces
schwamm.
Lelasi warf den Anker aus, als Pitt und Giordino ihre Vollgesichtsbrillen zurechtrückten und sich rückwärts ins Wasser fallen ließen. Pitt ließ sich von dem knapp zehn Kilo schweren Morphon-Bohrer nach unten ziehen, ohne seine Tarierweste aufzublasen, passte seine Ohren beim Abstieg an den steigenden Wasserdruck an und war in knapp einer Minute am Grund. Sobald er den sandigen Boden der Schlucht unter den Füßen spürte, drückte er den Bohrer ans Bullauge.
Bevor er ihn einschaltete, spähte er noch einmal hinein. Summer sah aus, als verlöre sie jeden Moment das Bewusstsein. Dirk winkte ihm kraftlos zu. Pitt legte den Bohrer kurz beiseite und schrieb auf seine Schiefertafel:
BOHRE LOCH FÜR PRESSLUFTFLASCHEN.
HALTET ABSTAND, WENN WASSER EINBRICHT.
Ohne eine weitere Minute zu verlieren, drückte er den Bohrer an das Bullauge, schaltete ihn ein und hoffte wider besseres Wissen, dass er durch das Spezialglas drang, das fast so hart wie Stahl war. Überlaut hallten das Surren des Motors und das Knirschen des Bohrers durch das Wasser, in dem sich Töne viel schneller fortpflanzen als an der Luft, und erschreckten sämtliche Fische im Umkreis von hundert Metern.
Pitt drückte den Bohrer mit aller Kraft an das Glas. Umso dankbarer war er, als Giordino die Knie in den Sand grub, sich vorbeugte, beide Hände um den vorderen Teil der Bohrmaschine schlang und sich dagegen stemmte.
Eine Minute um die andere verstrich, ohne dass die beiden Männer innehielten. Sie sprachen nicht miteinander. Das war nicht nötig. Sie waren ein eingespieltes Team, kannten sich seit über vierzig Jahren und verstanden einander auch ohne Worte.
Pitt verlor fast die Fassung, als er im Innern des Habitats keine Bewegung mehr erkennen konnte. Er legte sich regelrecht auf den Bohrer, der allmählich tiefer in das Plexiglas eindrang und sich immer schneller hindurchfräste. Dann endlich spürten Pitt und Giordino, wie er die Scheibe durchstieß. Im gleichen Moment rissen sie den Bohrer zurück. Noch ehe Pitt die Maschine ausschalten konnte, rammte Giordino eine Pressluftflasche samt Atemregler durch das rund fünfundzwanzig Zentimeter durchmessende Loch, durch das jetzt Wasser in den Innenraum schoss.
Pitt hätte seinen Kindern am liebsten zugerufen, dass sie endlich reagieren sollten, aber sie konnten ihn ohnehin nicht hören. Er sah, dass sich Summer nicht von der Stelle rührte. Er wollte bereits den Bohrer wieder einschalten und das Loch vergrößern, damit er hineinkriechen konnte, als Dirk wie benommen nach dem Atemregler griff und sich das Mundstück zwischen die Zähne klemmte. Er atmete zweimal tief durch, dann war er wieder halbwegs bei Kräften. Sofort schob er das Mundstück zwischen Summers Lippen.
Pitt hätte am liebsten vor Freude gejubelt, als er sah, wie Summer die Augen aufschlug, wie sich ihre Brust hob und senkte. Der Innenraum füllte sich mittlerweile rasch mit Wasser, aber jetzt hatten sie mehr als genügend Atemluft. Er und Giordino griffen wieder zum Bohrer und setzten ihn erneut am Bullauge an, um das Loch so weit zu vergrößern, dass sie die beiden herausholen konnten. Diesmal arbeiteten sie nicht so fieberhaft. Sie wechselten einander ab und setzten ein Loch neben das andere, bis sie eine Art vierblättriges Kleeblatt in die Scheibe gefräst hatten, das so breit war, dass ein Mensch hindurchpasste.
»Paul«, meldete sich Pitt über Unterwasserfunk.
»Ich höre«, antwortete Barnum.
»Was ist mit der Druckausgleichskammer?«
»Sie können sofort rein, sobald sie an Bord kommen.«
»Wie lange und in welcher Tiefe waren sie mit
Pisces
unten?«
»Drei Tage und vierzehn Stunden in zirka achtzehn Metern.«
»Dann müssen sie mindestens fünfzehn Stunden dekomprimiert werden.«
»So lange wie nötig«, sagte Barnum. »Ich habe einen Mediziner an Bord, der auf Taucherkrankheiten spezialisiert ist. Er kann die Dekompressionszeit genau berechnen.«
Giordino bedeutete ihm per Handzeichen, dass er das letzte Loch gebohrt hatte. Er streckte den Arm aus, ergriff Summers Hand und zog sie aus dem Habitat, das jetzt fast bis obenhin, wo sich noch etwas Restluft staute, voll gelaufen war. Dirk reichte eine der Pressluftflaschen heraus. Summer schlang die Arme darum und nahm einen tiefen Zug aus dem Atemregler. Dann winkte sie ihnen plötzlich zu, dass sie warten sollten,
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