Die Trolle
den niedrigen Stirnen, die bis hinter die Ohren ragten. Die Hauer der Trolle aber waren noch Furcht einflößender und ließen ihn an die grauenhaften Geschichten denken, die man sich in Wlachkis an den Herdfeuern erzählte.
Die Nägel der Kreaturen waren lang und kräftig, wie Klauen, teilweise gesplittert und vor allem schmutzig. Vielleicht bildete der Wlachake es sich nur ein, aber an Pards Klauen schienen Reste von getrocknetem Blut zu kleben. Rasch wandte er den Blick ab, doch dann siegte die Neugier, und er besah sich die Leiber der Trolle genauer.
Grob genähte Lederbahnen spannten sich um die Oberkörper, hier und da trug einer eine Art Gürtel, an dem einfaches Werkzeug und Beutel hingen. Waffen sah Sten nicht, aber nach der Demonstration ihrer schieren Kräfte war er sich nicht sicher, ob diese steinernen Ungeheuer ihre Feinde nicht viel eher mit bloßer Faust niederzustrecken und sie dann mit ihren Reißzähnen zu zerfetzen pflegten.
Trotz alldem benötigten die Trolle Hilfe. Sie kannten dieses Land, kannten die Menschen nicht. Was mochte sie hierher geführt haben? Woher kamen sie wohl, und warum hatten sie ihre Heimat verlassen? Alles Fragen, auf die Sten noch keine Antwort wusste – ein Zustand, den er schleunigst ändern sollte, wenn er am Leben bleiben wollte.
Nachdenklich betrachtete er die Trolle, die sich abseits des Feuers niedergelassen hatten und sich leise unterhielten. Hin und wieder warf der eine oder andere ihm einen Blick zu, der in Stens Augen von purer Mordlust sprach.
»Gib mir Fleisch, Roch«, sagte der riesige Troll zu dem einen, der nur ein Horn hatte, woraufhin dieser in einem seiner Beutel wühlte und ein rohes Stück Fleisch zum Vorschein brachte, das nach Verwesung roch. Das Einhorn heißt also Roch, stellte Sten fest und merkte sich den Namen.
»Wir müssen bald jagen«, äußerte Roch. »Unsere Vorräte sind fast zu Ende.«
»Wieso?«, fragte Pard und warf einen schnellen Blick in Stens Richtung. »Wir haben genug bei uns.«
Gequält starrte Sten den Troll an. Sind es wirklich Menschenfresser, wie in den alten Geschichten? Haben sie mich gar als Futter mitgenommen?
»Nein, Roch hat Recht, Pard«, warf Druan ein. »Wer weiß, wie lange wir noch suchen müssen.«
»Wir finden schon was, so schwer kann das ja nicht sein«, grummelte Pard.
»Meinst du Essen oder …«, erkundigte sich Druan und ließ den Satz verklingen, ohne dass sich Sten einen Reim auf dessen Bedeutung hätte machen können.
»Ich meine Essen. Hier laufen doch überall Viecher rum.«
»Klar, Pard denkt immer nur ans Futter«, lachte einer der anderen Trolle, was ihm einen bösen Blick von dem großen Troll einbrachte. »Ach, halt’s Maul, Anda!«
»Warum sollte ich?«, reizte der kleinere Troll ihn weiter.
»Weil es sonst was drauf gibt!«, knurrte Pard und ließ die gewaltigen Muskeln spielen.
»Anda kann nichts dafür, dass du so verfressen bist«, mischte sich ein weiterer Troll ein, den Sten bisher noch gar nicht reden gehört hatte, und Roch stimmte in sein Lachen ein.
»Ich bin größer und stärker als ihr alle«, grollte Pard. »Für jeden Zwerg, den ihr umhaut, töte ich drei. Natürlich brauche ich mehr Fleisch als so eine schwache Brut wie ihr!«
Der Ausbruch des massigen Trolls löste allgemeine Heiterkeit aus, und selbst Sten musste über die Frotzeleien grinsen, doch dann wurde ihm erneut klar, dass er sich in der Gewalt von mächtigen, gefährlichen und vor allem fremdartigen Wesen befand. Er konnte nicht wissen, ob ihre Worte freundschaftlich oder todernst gemeint waren. Als er sich des ganzen Ausmaßes seiner bedrückenden Lage bewusst wurde, schwindelte ihm.
War es wirklich erst ein paar Nächte her, dass er mit Flores im Wirtshaus gesessen hatte und sie ihn einen Narren gescholten hatte? Wenn sie mich jetzt sehen könnte, dann wäre ihr einmal mehr klar, dass sie Recht hatte, dachte Sten. Gefangen genommen von Zorpads Schergen, zum Tode verurteilt, im Wald ausgesetzt und ausgerechnet von Trollen gerettet. Obwohl »gerettet« wohl kaum das richtige Wort war. Ich muss sie davon überzeugen, dass ich in der Lage bin, ihnen zu helfen. Und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verschwinden.
Ihn schauderte, als er daran dachte, wie sich die gewaltigen Arme Pards um ihn gelegt hatten, um das Leben aus ihm herauszuquetschen. Mit einem unbehaglichen Blick auf die Trolle kauerte sich Sten in die Ecke des Käfigs, um wenigstens ein bisschen Ruhe zu finden, auch wenn das in seiner
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