Die Trolle
Sten bei einer Unwahrheit ertappt zu haben.
»Er war kein Halb-Zwerg, und er war ungefährlich und hätte uns nur aufgehalten.«
»Wenn er ungefährlich war, dann hätten wir ihn auch platt machen können«, befand Pard. »Oh, ich vergaß: Wir sind ja alle nette Menschen!«
»Das hat keinen Sinn«, stellte Sten ergeben fest und wandte sich an Druan: »Natiole und ich müssen los. Wir treffen uns mit unseren Freunden. Bereitet euch schon mal auf die Abreise vor, wir verschwinden vielleicht noch heute Nacht aus der Stadt, spätestens aber morgen.«
»Gut«, erwiderte Druan, »wir werden warten.« An Pard gewandt, fügte der Troll hinzu: »Es gefällt uns allen nicht richtig, aber wir machen es trotzdem so.«
Mit einem letzten Blick auf den gewaltigen Troll, der ihn finster anfunkelte, verließ Sten die dunkle Lagerhalle und trat hinaus in den verlöschenden Tag, der gerade Platz für die Nacht machte. Die letzten Strahlen der Sonne verwandelten das Hafenbecken von Teremi in wogendes Kupfer.
Gefolgt von Natiole, schritt Sten in Richtung des Verstecks, dessen Ort ihnen Linorel durch Costin hatte mitteilen lassen. Dort würden sich die verbliebenen Rebellen aus Teremi ebenfalls einfinden, und gemeinsam würden sie besprechen, was zu tun war. Für Sten gab es dabei keine Frage: Die Geiseln mussten irgendwie aus Zorpads Hand befreit werden, denn sobald sie durch einen Krieg ihren Wert als politische Druckmittel verloren, würde der Fürst der Masriden an ihnen ein Exempel statuieren und versuchen, so die Moral der Wlachaken zu brechen. Zorpad weiß genau, welchen Wert Viçinia für ihre Schwester und für uns alle hat, dachte der Wlachake, doch er wagte es nicht, den Gedanken an ihren möglichen Verlust zu Ende zu führen. Aber noch wusste Zorpad nicht, dass seine Pläne aufgedeckt waren, noch gab es die Möglichkeit, dass die Rebellen sie durchkreuzen und die Männer und Frauen, die als Unterpfänder der Waffenruhe in der Burg ausharrten, aus seinen Klauen befreien konnten.
Sten würde alles daransetzen, um Viçinia zu retten und ihr die Worte zu sagen, die seit fast einem Jahr auf seinem Herzen lasteten. Mit dieser Überlegung beschäftigt, eilte der Wlachake durch die Stadt, ohne zu bemerken, wie am bisher strahlenden Himmel die ersten Wolken auftauchten und sich über Teremi türmten.
Der Keller war klein und staubig und zudem mit allerlei Gerümpel voll gestellt, sodass selbst die wenigen Wlachaken, die sich eingefunden hatten, gedrängt beieinander saßen. Zusammen mit Natiole hockte Sten auf einem leeren alten Fass, dessen raues Holz ihm schon einen Splitter an unangenehmen Stellen beschert hatte. Ihnen gegenüber stand Linorel cal Doleorman an eine Wand gelehnt, deren Tünche das Wams der Rebellin weiß färbte. Daneben saß Costin Kralea auf den Überresten eines Schemels mit nur zwei Beinen. Der mutige kleine Schreiber, der immer einen Scherz auf den Lippen hatte und den fast nichts erschüttern konnte, aß soeben einen Apfel und schien sich nicht im Geringsten an den beengten Verhältnissen zu stören, während er vorsichtig auf seiner Sitzgelegenheit das Gleichgewicht suchte. Auf dem Boden zu Costins Füßen hatte Aurela Dan Platz genommen, eine zierliche Frau, die Costins Angebot, die Plätze zu tauschen, dankend abgelehnt hatte. Sie arbeitete in irgendeiner Kaschemme als Schankmaid und hatte einen Gatten, der von ihrer Beteiligung am Freiheitskampf nichts ahnte. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid und hatte die langen dunklen Haare zu einem Knoten hochgebunden, aus dem einige Strähnen entkommen waren, die sie immer wieder aus ihrem schmalen Gesicht strich. Laut Linorel war sie geschickt im Umgang mit dem Dietrich und konnte sich beinahe vollkommen lautlos bewegen.
Fünf Leute gegen Zorpad und sein ganzes Heer, überlegte sich Sten. Das sind keine guten Aussichten für uns. Aber er behielt seine Vorbehalte für sich und lächelte breit.
»Willkommen in diesem wundervollen Kellerloch!«, eröffnete er das Gespräch und wurde sofort von Aurela mit Fragen bestürmt.
»Wie bist du entkommen? Wie ist es dir in Burg Remis ergangen? Wieso haben sie dich nicht getötet?«
»Tja, Zorpad in seiner Weisheit und Güte hat mich an den Wald gegeben, aber der wollte mich nicht«, antwortete Sten grinsend.
»Er ist ein verrückter Hund, und er hat mehr Glück als Verstand«, fiel ihm Linorel ins Wort. »Deswegen lebt er noch.«
»Unfug«, befand Natiole. »Er ist einfach zu stur zum Sterben!«
Das löste einen
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