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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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etwas bedeutet hat.«
    »Ich weiß«, sagte Natiole leise.
    »Sicher, wir hatten uns schon immer nahe gestanden, aber erst in Désa haben wir dieses besondere Band zwischen uns geknüpft. Ich will sie nicht auch noch verlieren.«
    »Das wirst du nicht. Nur bei ihr nützt dir dein geradezu sprichwörtlicher Liebreiz nicht. Andere Frauen sehen in deine tiefgründigen Augen und sind bereit, dir jede Schandtat zu verzeihen, aber Flores … tja, Flores verpasst dir ein Veilchen!«, witzelte Natiole.
    Doch Sten konnte im Augenblick nicht über die Scherze seines Freundes lachen, der ihn plötzlich besorgt ansah.
    »He, was ist denn mit dir los, Sten? Ist doch nicht das erste Mal, dass sie dir den Marsch bläst«, meinte Natiole.
    »Fragst du dich nie, was für einen Sinn das alles hat?«, fragte Sten und sah seinen Freund forschend an.
    Offensichtlich hatte sich Natiole diese Frage noch nicht gestellt, denn er runzelte verwirrt die Stirn: »Was, alles?«
    »Der Krieg. All die Kämpfe, das Blutvergießen, das Leben auf der Flucht, ständig gesucht zu werden, niemals wirklich sicher zu sein …«
    »Wir kämpfen für die Freiheit, Sten. Was ist denn nur los mit dir?«, fragte Natiole entgeistert.
    »Freiheit, ja. Aber was geben wir dafür auf, was rauben wir uns selbst? Könnten wir nicht eine Familie irgendwo haben, ein wenig Land? Einfach in Frieden leben?«
    »Unter Zorpads Herrschaft? Bist du übergeschnappt?«, entgegnete Natiole entrüstet.
    »Ich weiß nicht. Manchmal bin ich müde und habe das alles so satt.«
    »Das haben wir alle manchmal, Sten. Jeder von uns. Aber denk mal nach … Deine Familie hatte all das – Land und Frieden … Und es wurde euch genommen, ohne eure Schuld. Von Zorpad und seinen Dienern. Du kämpfst gegen dieses Unrecht, wir kämpfen dagegen.«
    »Ich fürchte, wir werden dabei wie sie«, flüsterte Sten.
    »Wie wer? Wie die Masriden?«
    »Nein, wie die Trolle. Voller Hass und Gewalt. Für sie ist alles Kampf, alles Krieg!«
    »Was soll denn das nun wieder? Wir sind keine Trolle! Das ist doch …«, stotterte Natiole, ohne den Satz zu Ende zu bringen.
    »Du hast wohl Recht, Nati«, sagte Sten ohne große Überzeugung. »Mir kommen nur Zweifel an Sinn und Berechtigung unseres Kampfes. Sehnst du dich nicht manchmal nach Frieden?«
    Mitten auf der Straße packte Natiole Sten bei den Schultern und sah ihm ins Gesicht: »Doch, jeden Tag, jeden dreimal verfluchten Tag wünsche ich mir nichts sehnlicher, als endlich Frieden zu haben. Denkst du, ich hätte keine anderen Träume, außer mich in muffigen Kellern zu verbergen? Weißt du, was ich weitaus lieber täte? Mir ein kleines Stück Erde suchen, ein paar Rebstöcke darauf pflanzen, jeden Abend zwei Krüge von meinem Selbstgekelterten saufen und deine halsstarrige Schwester fragen, ob sie mir dabei vielleicht Gesellschaft leisten möchte. Aber ich weiß auch, dass es nicht so einfach ist. Wir finden keinen Frieden, Sten, vielleicht nicht einmal, wenn das alles irgendwann einmal vorbei ist und Zorpads Knochen in der kalten Erde ruhen. Wir haben zu viel erlebt und zu viel gesehen. Aber andere werden in Frieden leben können, wenn wir siegen. Unsere Kinder können friedlich aufwachsen. Dafür kämpfe ich, Sten. Damit es in diesem Land eine Zukunft gibt!«
    Einige Momente lang sahen die alten Freunde sich in die Augen, dann senkte Sten den Blick.
    »Es tut mir Leid, Natiole, vergib mir. Du hast Recht. Es ist nur …«, begann er und hob ringend die Hände. »Die Trolle kommen mir vor wie ein Spiegelbild. All dieser Hass auf die Feinde … Ich sehe uns darin, wenn wir nicht aufpassen. Ich frage mich immer, ob sie unsere Zukunft sind, ob wir nicht auf dem Weg sind, so zu werden wie sie. Wir dürfen uns in diesem Krieg nicht selbst verlieren, Nati. Sonst sind wir nicht besser als die Trolle oder gar als Zorpad und seine Schergen!«
    Nachdenklich kaute Natiole auf seiner Unterlippe. »Vermutlich hast du Recht. Aber wir sind nicht wie die Trolle, und wir werden auch nicht wie sie, das kannst du mir glauben.«
    Dankbar sah Sten seinen Freund an. Die nagenden Zweifel waren mit Flores’ Worten über ihn gekommen, doch er hatte diese Fragen schon lange auf dem Herzen gehabt, die beklemmende Befürchtung, dass es am Ende nichts gab, was ihn und die Seinen von den Masriden unterschied. Die Rebellen überfielen die Unterdrücker, setzten sich gegen sie zur Wehr. Und sie töteten. Aber wir haben Grenzen, und diese überschreiten wir nicht. Wir führen keinen

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