Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
würde, war ihm völlig egal. Dann würde er eben für zwei Tage nach Frankreich fliegen! Und was waren schon ein paar Tausend Dollar gegen eine derart magische Erfahrung, die man nur ein Mal im Leben machen konnte?
Dass das sprichwörtlich stimmte, zumindest in seinem Fall, ahnte er nicht, und das war auch gut so, denn sonst hätte er die Reise gar nicht erst angetreten und der magischste Moment seines Lebens wäre ihm versagt geblieben.
So musste Melody gleich am nächsten Morgen die Flüge, Transfers und das Seminar für ihn buchen, und schon am Mittag wedelte er überglücklich wie ein Kind jedem, der das Studio betrat, mit den Tickets und der Bestätigung vom Rothschild’schen Weingut vor der Nase herum.
In zehn Tagen würde es losgehen, und vier Tage später würde er wieder zurück und ein völlig neuer Mensch sein.
Es gab jedenfalls nicht den geringsten Grund für ihn, daran zu zweifeln.
Hätte er gewusst, was ihn auf dem Weingut erwartete, hätte er sich vermutlich in den hintersten Winkel seines Weinkellers zurückgezogen.
Oder auch nicht.
Das ließ sich im Nachhinein aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse leider nicht mehr feststellen.
* * *
Am nächsten Morgen entdeckte er beim Überfliegen der Zeitung eine Großaufnahme von George Glamour mit der Überschrift: „ Der Weise vom Fluss! “ Sie zeigte Glamour, wie er gerade nackt wie Gott ihn schuf und mit offenem, wallendem Haar, mit zum Himmel erhobenen Armen und meditativ verzücktem Blick, der Christusfigur in Brasilien nicht unähnlich, am Fenster seines Lofts stand und auf den Hudson blickte – geradewegs in ein regelrechtes Blitzlichtgewitter von Paparazzi aus aller Welt.
Die Zeitungsmeldungen überschlugen sich und auf Youtube gab es diese denkwürdige Szene als Clip, der zeigte, dass genau in dem Moment, als Glamour seinen Blick zum Himmel hob, das Morgenlicht so günstig über sein Haupt strich, dass es ihm einen zarten Heiligenschein verlieh.
Man hatte es geahnt: George Glamour war also nicht nur der Träger des Geheimnisses von Narziss, er war ein Erleuchteter, der sich, so wie es wahre Erleuchtete ja nun einmal taten und damit ihre wirkliche Meisterschaft bewiesen, bislang ganz einfach im Verborgenen gehalten hatte!
So begannen sich von diesem Tag an schon lange vor Tagesanbruch kleine Grüppchen von Frauen und eine wachsende Zahl von Männern in Richtung seines Lofts zu bewegen und sich ehrfürchtig und still unter das besagte Fenster zu setzen, um wenn es sein musste bis zum Jüngsten Tag auf Glamours Segenspende zu warten.
Um in der Zwischenzeit nicht ungewollt abzunehmen, hatten die Frauen Rucksäcke mitgebracht, die vollgepackt waren mit Donuts, Gummibärchen, Marshmallows, fetten Salamis, Mayonnaisesandwiches und doppelt gesüßten Softdrinks.
Die Mutigeren unter ihnen tranken Wasser aus dem vor Glamours Fenster vorbeifließenden Hudson, der inzwischen zum Ganges von New York erklärt und dem somit heilende Kräfte zugesprochen worden waren, ungeachtet der Tatsache, dass die aus illegalen Verklappungsaktionen stammenden Abfälle diverser Luxusdampfer darin ihre unappetitliche Bahn zogen.
Dass Glamour in Wirklichkeit weder in religiös-meditative Ekstase gefallen war noch der schnöden materiellen Welt seinen erhabenen Segen gespendet hatte, sondern ganz einfach angesichts des von seinem Banker telefonisch durchgegebenen Kontostandes in pure Verzückung geraten war, konnte man auch mit der bösartigsten Absicht nicht hinter dem Foto vermuten, das wie ein Komet um die Welt geflimmert war. Er war von den gewaltigen Bewegungen auf seinem Konto so selig, dass er spontan und so nackt wie er gerade war, ans Fenster getreten und Gott mit weit geöffneten Armen dafür gedankt hatte, dass er ihm diese bescheuerte, aber so unglaublich lukrative Idee eingegeben hatte. Die Verzückung, in der Glamour sich befunden hatte, stand allerdings dem Glückseligkeitsgefühl, das in der Regel nach jahrzehntelangem Meditieren auftrat, sofern der Novize nicht wie üblich vorher das Zeitliche segnete, in nichts nach.
Von nun an war er Der Weise vom Fluss , und es blieb ihm nichts anderes übrig, als jeden Tag kurz nach Sonnenaufgang der immer größer werdenden Menschenmenge seinen Segen zu spenden, um wenigstens bis zum nächsten Morgen seine Ruhe zu haben. Da er das zwar einerseits durchaus vergnüglich und amüsant fand, er aber andererseits keine Lust hatte, dies im Adamskostüm zu wiederholen, ließ er sich auf die Schnelle
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