Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
richtigen Mann, also an ihn, zu verströmen, das spürte er förmlich mit allen Fasern.
„ Um Himmels willen, bloß keinen Wein!“, sie schüttelte sich, als hätte man ihr abgestandenes Bier angeboten, „Ich krieg’ von dem Tütenrotwein aus‘m Supermarkt an der Ecke immer solche Kopfschmerzen, dass ich kotzen muss und drei Tage nicht ansprechbar bin!“
Harry schüttelte sich ebenfalls, als hätte man ihm einen Eimer kaltes Wasser übergegossen. Tütenrotwein? Diese elende Mischung aus verschiedensten Lagen und Sorten, die man eigentlich in einer nächtlichen Rettet-den-guten-Geschmack-Aktion aus allen Supermärkten stehlen und in den Hudson kippen sollte, damit ja niemand dieses schauerliche Gebräu kaufen und für Wein halten würde?
Mit einem Schlag war er so ernüchtert, dass noch nicht einmal sein Pubertätsidol Rita Hayworth irgendeine sexuelle Reaktion bei ihm auszulösen imstande gewesen wäre. Mit einer Frau, die so ein Verhältnis zu Wein hatte, nämlich gar keines könnte er sich noch nicht einmal auf die Bettkante setzen, geschweige denn wilden, hemmungslosen Sex haben.
Noch bevor die Dame in Grün überhaupt realisieren konnte, was geschehen war, hatte auch Harry wie zuvor schon sein Regieassistent den Coconut-Tiger fluchtartig durch den Notausgang verlassen und sich mit Jacco frustriert auf den Heimweg gemacht.
Was er dann zu Hause im Briefkasten vorfinden sollte, würde Harry Shinder als Wink des Himmels ansehen.
In Wirklichkeit aber war es ein Gruß direkt aus der Hölle, wo man schon alles für seine baldige Ankunft vorbereitet hatte.
* * *
Was Harry in seinem Briefkasten vorgefunden hatte, war die Einladung zu einem außergewöhnlichen Weinseminar auf einem Weingut der Rothschilds in Südfrankreich. Seit Wochen schon hatte er überlegt, wie er dem ganzen Stress der letzten Zeit für ein paar Tage entfliehen konnte, und hier lag die Antwort vor ihm, in prächtiger goldener Schrift auf einem Büttenpapier, das so edel und kostbar wirkte, als sei es nicht für den kleinen Weinliebhaber Harry Shinder, sondern für die englische Queen persönlich handgeschöpft worden. Der Inhalt verhieß so Unglaubliches, dass Harry ehrfürchtige Schauer überrieselten: Die Rothschilds würden extra für dieses besondere Event das riesige Fass, in dem vor Jahrhunderten ein ganz besonderer Rotwein gereift war, mit einem zwar nicht ganz so alten, aber durchaus ebenbürtigen Nachkömmling füllen. Daraus würde sich dann jeder Teilnehmer selbst eine Flasche abfüllen dürfen.
Harry konnte es kaum glauben - er würde dieses historische Fass, in dem der teuerste Rotwein, den er besaß, vor Jahrhunderten gereift war, berühren können, mit seinen eigenen Händen! Er würde es streicheln können wie eine Frau, würde die Augen schließen, während seine Finger zärtlich darüber strichen, und er würde sich vorstellen, wie der Wein, der zu Hause in seinem Keller lagerte, vor unendlich langer Zeit in genau diesem Fass seine Reifeprüfung bestanden hatte.
Harry geriet fast in Ekstase. Er legte die Einladung vorsichtig auf dem aus der Zeit Napoleons stammenden Tischchen ab, das sonst nur seinem Weinglas und der jeweiligen Flasche vorbehalten war, und öffnete die Tür zum Keller.
Dieser Tag verdiente es, mit einem ganz besonderen Wein beschlossen zu werden, und er wusste auch schon, mit welchem.
Ehrfürchtig blieb Harry vor dem Regal mit dem Mouton Rothschild stehen, der im Jahr des Aufstands des französischen Volkes gekeltert worden war. Dieser Wein trug den Geist und die Flamme der Revolution, sein Charakter entfaltete sich im Glas zuerst noch zögernd und vorsichtig, dann mit stetig wachsendem sanftem Glühen, vorerst noch ein unscheinbares Flämmchen, bis er dann mit einem überraschend aufbrechenden Leuchten alles zu verzehren schien, und man zurückblieb mit etwas Neuem, etwas ganz Unglaublichem, das man so zu Beginn nicht für möglich gehalten hätte.
Er nahm die Flasche ganz vorsichtig aus dem Regal und trug sie behutsam wie ein Baby die Treppe hinauf. Das war der richtige Wein für die Feier dieser unverhofften, wunderbaren Einladung und für den Erfolg, den sein Sender und damit natürlich vor allem er derzeit feierte.
Harry war sicher, dass die Reise ihn in ähnlicher Weise verwandeln, seinem Leben etwas Neues, Überraschendes, ganz Unglaubliches hinzufügen würde. Dass das Ganze schon in zehn Tagen stattfinden, nur zwei Tage dauern und dazu auch noch ein paar Tausend Dollar kosten
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