Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
höchst bedenklichen Vorschlägen wie dem, viel Alkohol zu trinken, weil das die Züge quasi über Nacht erschlaffen ließe, oder sich so oft wie möglich ohne Sonnencreme in der prallen Sonne aufzuhalten, damit die Haut im Rekordtempo altere.
Der vor allem von den Männern begeistert gefeierte Supertipp aber kam von Sandy, einer Wasserstoffblondine Anfang dreißig, die aussah wie Ende fünfzig, was allerdings, wie keiner außer ihr und ihrem Mann wusste, nicht auf die Anwendung ihres Tipps, sondern darauf zurückzuführen, war, dass sie sich schon seit Jahren täglich im Solarium brutzeln ließ und außerdem seit ihrem achtzehnten Lebensjahr zuerst aus Protest gegen die Eltern und dann später aus purer Abhängigkeit sechzig Zigaretten pro Tag inhalierte.
Die Idee zu dem Tipp für die Sendung war von ihrem Mann gekommen, was nicht weiter verwunderte, wenn man das Rezept erfuhr:
„ Hallo, ich bin Sandy. Man sollte es nicht glauben, aber ich bin erst einunddreißig! Wollt ihr wissen, wie ich es geschafft habe, auszusehen wie über fünfzig?“
Sie zeigte ihre strahlend weiß gebleichten Zähne.
„ Ich habe ein unglaublich einfaches, preiswertes und vollkommen natürliches Rezept für eine Schönheitsmaske, die garantiert wunderbare Streifen in die Haut ätzt!“, verkündete sie stolz. „Etwas Grapefruitsaft und eine frische Portion, ähm“, sie räusperte sich und warf ihrem vielsagend grinsend im Publikum sitzenden Mann einen verschwörerischen Blick zu, „na ja, äh, Sperma. Alles gut verquirlen und dann mit einem Pinsel auf die Haut auftragen und eine Viertelstunde einwirken lassen.“
Auf den Gesichtern der Männer im Publikum breitete sich zuerst Überraschung, dann aber ein hocherfreutes Grinsen aus, vor allem bei denen, die sich sexuell, und das in ganz besonderer Hinsicht, in letzter Zeit oder auch schon immer etwas vernachlässigt fühlten.
Was für neue, wunderbare Perspektiven taten sich da auf!
Und als dann schließlich vom Studiopublikum der Siegertipp ermittelt wurde, klatschte nicht einer von ihnen für die drei anderen zur Nominierung stehenden wirklich hervorragenden Tipps, dafür aber klatschten und trampelten sie dann für Sandys völlig wirkungsloses, aber für die Männer dieser Welt äußerst verheißungsvolles Rezept so heftig, dass fast die Tribünen zu Bruch gingen.
Barry brach im Regieraum in unverhohlene Begeisterung aus. »Mensch, geil, meine Chancen steigen! Die Frauen werden nach Sperma lechzen!!« Er führte einen kleinen Indianertanz rund um den Redaktionstisch auf, »He, Melody, bringst du mir ein Kilo Chiquitas mit? Aber unreife, die bleiben länger hart!«
Melody schüttelte nur missbilligend den Kopf und stapfte in Richtung Küche davon.
Und so kam es, dass durch ein angebliches Schönheitsrezept, das in Wirklichkeit noch nicht ein einziges Mal erprobt worden war, George Glamour nun endgültig auch die Männerherzen zuflogen wie mit Helium gefüllte Luftballons.
* * *
In den Redaktionssitzungen der folgenden Tage diskutierten Harry, Melanie und May die Pressespiegel, neue Einträge auf Facebook und Twitter und alle sonstigen Meldungen im Internet über die Sendung und über den neuen Trend. Die Medienwelt überschlug sich vor Begeisterung, man lobte das neue GMY! -Format als einen Meilenstein in der Geschichte des Fernsehens und stellte George Glamour auf eine Stufe mit Nelson Mandela, Che Guevara und anderen Freiheitskämpfern.
Der Präsident der Vereinigten Staaten und seine Frau hatten sich über seinen Stab für eine der nächsten Sendungen ankündigen lassen. Dass noch unklar war, für welche, lag daran, dass die Präsidentengattin ein Gesicht hatte, das aufgrund eines vor einiger Zeit zum Pflichtprogramm gehörenden und inzwischen bitter bereuten Liftings beschämenswert glatt war, was für den Erfolg der nächsten Wahl fatal sein konnte. Sie wurde deshalb aus politischen Gründen auf eine Aging-Farm geschickt und durfte erst zurückkehren, wenn ihr Gesicht entsprechend gealtert wäre.
Aber es gab auch mahnende Stimmen, die warnten vor den fatalen Folgen, die sich bereits abzuzeichnen begannen.
Während die Zahl der Bulimieerkrankungen erfreulicherweise drastisch zurückging, breitete sich unaufhaltsam eine neue Sucht aus: Frauen stopften alles Essbare in sich hinein, als stünde das Land vor einer größeren Hungersnot, für die es vorzusorgen gelte, und selbst die größten Supermärkte verzeichneten bedenkliche Engpässe bei der
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