Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
einige weiße, wallende Seidenkaftane mit dezenter Goldborte am Kragen nähen, in denen er nun jeden Morgen einige Minuten schweigend in sicherer Entfernung am Fenster vor die jubelnde Menge trat. Distanz war angebracht, denn hin und wieder hatten ihn einige besonders verzückte Damen mit weißen Marshmallows beworfen, auf die sie ihre Telefonnummern und zuweilen auch unanständige Angebote gekritzelt hatten. Das tat zwar nicht weh, wirkte aber lächerlich, und es war ihm sehr schwergefallen, dabei unbeirrt weiter die Miene Bhagwan zu zeigen, die seinen Ruf, ein Erleuchteter zu sein, endgültig zementiert hatte.
Und nach einer Woche täglichen Segenspendens für eine immer unüberschaubarer werdende Menschenmenge, in der immer wieder einzelne Frauen vor Entzücken ihn Ohnmacht sanken und nur mit nach Schokolade duftenden Riechfläschchen wiederbelebt werden konnten, begann der unbegabte, geldgierige Modeschöpfer George Glamour sich langsam selbst zu fragen, ob er möglicherweise tatsächlich ein Erleuchteter war und es bisher nur einfach nicht gemerkt hatte.
Aber noch, bevor er sich zu der unbequemen Erkenntnis versteigen konnte, dass er möglicherweise in Wirklichkeit dazu bestimmt sein könnte, den Rest seines Lebens in Enthaltsamkeit und ohne weltliche Güter in einer zugigen Höhle im Himalaja zu verbringen, geschah das, was geradezu vorprogrammiert war, er aber ganz einfach nie bedacht hatte.
Eines Morgens, als er wieder einmal die kollektiv aufseufzende Menge gesegnet und sich entnervt auf seine riesige samtgepolsterte Wohnlandschaft zurückgezogen hatte, beschloss er, eine der Aufzeichnungen anzuschauen, die GMY! ihm zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte sich bisher konsequent geweigert, auch nur einen einzigen Blick hineinzuwerfen, weil er befürchtete, sich bei einem ungünstigen Stirnrunzeln zu ertappen oder sich womöglich mit dem misslungenen Werk irgendeines boshaften Kameramanns konfrontiert zu sehen, der ihn absichtlich von der falschen Seite gefilmt und so seiner Nase zu unerwünschter Prominenz verholfen hätte.
Aber an diesem Morgen war er soweit, er wollte herausfinden, was es sein mochte, das die Menschen so faszinierte, dass sie bei Wind und Wetter geduldig vor seinem Fenster ausharrten, um ihn für ein paar Sekunden zu Gesicht zu bekommen. So würde er diese Faszination umso besser dafür einsetzen können, diese Masse ganz nach seinen Wünschen zu formen.
Und so kam es, dass der begnadete Hypnotiseur George Glamour nun auf fatale Weise seine absolute Meisterschaft bewies, indem er sich ungewollt selbst hypnotisierte, als er sich auf dem Bildschirm in die Augen schaute.
Und da das genau in dem Moment geschah, als er auf geradezu beschwörende Weise von den göttlichen Rundungen und Formen schwärmte, die Frauenkörper haben sollten, wandelte sich George Glamour im Bruchteil einer Sekunde vom Liebhaber knabenhaft schlanker Frauenkörper in einen Mann, der von da an in Verzückung verfiel, wenn er eine kurvenreiche Frau auch nur von Weitem sah.
Dass ihm genau das kurze Zeit später letztlich auf tragische, aber irgendwie auch einer gewissen Komik nicht entbehrende Weise zum Verhängnis werden und Harry Shinder und er sich so fast zur selben Zeit an einem ganz besonders heißen Ort treffen sollten, wo man schon ungeduldig auf ihre Ankunft wartete, war bedauerlich, aber nicht unverdient.
Kapitel 11
Weißes Gold
Die letzten Tage waren für Melanie wie in einem seltsamen Rausch verflogen. Jede Show war zu einem Quotenhit geworden, und der Erfolg schien sich von Mal zu Mal noch zu steigern.
Einerseits war sie natürlich begeistert, denn letztlich war sie ja Teil dieses Erfolgs, andererseits beschlich sie ein zunehmendes Unbehagen, wenn sie sah, was da täglich an Abstrusitäten zum Vorschein kam. Sie schwankte zwischen Bewunderung für so viel Kreativität und Erfindungsreichtum und Entsetzen angesichts der Besessenheit, mit der die Frauen zu den unglaublichsten Kasteiungen bereit waren, nur um dem neuen Schönheitsideal zu entsprechen. Natürlich wollte sie selbst das auch, aber irgendwo hatte ihre Opferbereitschaft doch gewisse Grenzen, wie sie bei der letzten Sendung hatte feststellen müssen. Sie würde ganz gewiss niemals so weit gehen, den Tipp zu befolgen, den ein Schönheitschirurg an das ehrfürchtig staunende Publikum weitergegeben hatte: Er führte in seiner Praxis Gesichts- und Körperaufpolsterungen mit Spenderfett von übergewichtigen Männern durch. Gladys hatte das
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