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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Hübner
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Mund hielt er inne, zögerte. Den Atemzug, der beide voneinander trennte, überbrückte sie. Ihre Lippen waren kalt, aber weich, und ihr Kuss war der erste, das merkte er, der erste, den sie jemals einem Mann gab: zurückhaltend zuerst, dann inniger, aber nicht gierig. Sie kostete vorsichtig von ihm. Sie nahm von ihm, was er ihr anbot, und sog ihn in sich auf wie die Brocken des Damastweberhandwerks, die er ihr in kleinen Portionen zuwarf. Sie war leidenschaftlicher, als er es erwartet hatte. Sie war großzügig mit dem, was sie ihm gab, und er nahm es gern, so lange, bis sich etwas anderes zwischen ihn und Luisa schob. Etwas, das er hier nicht haben wollte, das aber immer zwischen ihnen sein würde. Immer.
    Er tastete nach ihren Armen und drückte sie sacht ein Stück von sich. Da waren die Grübchen, so hübsch. Da lag ein Lächeln auf ihrem Mund, einem Mund, der viel lieblicher war, als er es sich erträumt hatte. „Das ganze Jahr schon überlege ich, wie es wohl sein würde, dich zu küssen“, flüsterte sie mit diesem Lächeln, das ihn dahinschmelzen lassen konnte.
    Er rieb sich die Augen. Behalte einen klaren Kopf, Junge! „Luisa ...“
    „Nein!“ Sie erhob abwehrend den linken Zeigefinger. „Mach das nicht, Caspar. Du hast nur wieder vor, etwas furchtbar Vernünftiges zu sagen.“
    „Luisa, hör mir zu.“
    Doch sie machte keine Anstalten, ihm zuzuhören. Jetzt drehte sie sich in Richtung des Fensters und des Nachttisches, auf dem die Öllampe und die Teebecher standen, und presste die flachen Hände auf die Ohren.
    Caspar hasste das. Er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn sich Frauen wie kleine Kinder benahmen. Seine Schwestern taten das ständig. Verdammt! Kurz entschlossen nahm er Luisas Hände in die seinen und zwang sie nieder. „Du bist die Tochter des Expediteurs und du wirst Matthias Kollmar heiraten ...“
    Ihr energisches Kopfschütteln, ihre Augen, die sich mit Wasser füllten, und das Zucken ihres Kinns brachten ihn aus dem Konzept. Er verlor den Faden und wusste nicht mehr, was er hatte sagen wollen. Wenn sie jetzt anfangen würde zu weinen, würde er gar keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Und kaum hatte er zu Ende gedacht, landete auch schon die erste ihrer Tränen auf seinem Handrücken, unter dem ihre Finger ganz kalt lagen. So kalte Finger. So kalt, dass er selbst zu frieren begann. Caspar ließ ihre Hände los und nahm Luisa wieder in den Arm. Das passte besser. Wenn er ihre Tränen nicht anzusehen brauchte, würde er freier sprechen können.
    Sie kam ihm zuvor: „Ich werd es nicht tun, Caspar, nur über meine Leiche.“
    „Du weißt nicht, wovon du sprichst, und ich glaube, da hast du die Rechnung ohne den Wirt gemacht.“ Er hielt ihren Kopf mit der einen, ihren Rumpf mit der anderen Hand und wünschte, er hätte nicht nur ein Paar Hände, sondern Hunderte, mit denen er das Häufchen Elend würde festhalten können. „Ich fürchte, dass keine weitere Seele außer dir daran zweifelt, dass am vierten Dezember eine Hochzeit gefeiert wird.“
    Sie wurde plötzlich ganz weich. Er hatte Luisa Treuentzien nie so schwach, nie so zerbrechlich erlebt wie heute. In der starken, ahnenstolzen Expediteurin steckte das Fleisch gewordene Unglück. Da war keine Spannung in ihrem Körper. Sie schluchzte leise vor sich hin. Hielt ihn umschlungen, weinte und schüttelte den Kopf.
    Aber so selten sie sich Schwäche eingestand, so schnell verrauchte diese wieder. Sie straffte ihre Haltung, wischte mit laxen Handbewegungen über Haarschopf und Tränenantlitz und blickte würdevoll in das Flackerlicht der Lampe. „Ohne mein Jawort können sie mich nicht verheiraten. Ich werde es Matthias bei der nächsten Gelegenheit sagen. Es hat keinen Zweck.“
    „Dann wirst du mächtigen Ärger mit deinem Vater bekommen.“
    „Nein, nicht ich, sondern Matthias.“
    Das begriff Caspar nicht, aber Luisa sprach so oft in Rätseln, dass ihn gar nichts mehr überraschte. Ihr doppelbödiges Lächeln, das so kurz aufflackerte wie das Flämmchen der Lampe im Windzug der undichten Fenster, überraschte ihn nicht, weil sie so viele Geheimnisse mit sich herumschleppte. „Und dann? Willst du bis ans Ende deiner Tage warten, dass dich ein anderer fragt? Wer will schon die zweite Geige spielen?“
    Der Augenaufschlag, den er von Luisa erntete, verhieß nichts Gutes. Er schaute auf ihre Hände hinab. Ihre Finger spielten mit einem Armband. Ein unscheinbares Armband aus winzigen Silbergliedern, aber

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