Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
ihre Arbeit in Vaters Büro konzentrieren, weil sie immer an Caspar denken musste. Stets trug sie sein Lächeln vor ihrem inneren Auge. Sein Lächeln, das sie jetzt küsste. Da gab es so viele Arten von Küssen auszuprobieren. Ja, alles würde wunderbar werden.
Er brachte sie immer zum Lachen. Sie lachten so viel, dass ihr manchmal der Bauch wehtat oder ihr die Tränen kamen, manchmal auch beides. Er zeigte ihr Würfel- und Kartenspiele. Es war so schön. Das Leben war ganz einfach in seiner Gegenwart. Sie hatte nie zuvor so viel gelacht. Sie lernte, über sich selbst zu lachen, beobachtete sich und ertappte sich dabei, dass sie sich albern und gestelzt vorkam, wenn sie bei den Großeltern Markant zum Essen geladen waren, wenn es auf Ausflüge ging oder wenn sie die Kollmars zu Besuch luden. Die Kollmars.
Matthias Kollmar. Den wollte sie ausgerechnet jetzt nicht dabeihaben. So kostbar und selten waren die Minuten, die sie und Caspar allein sein konnten. Luisa war mit einem Male ganz niedergeschlagen. Caspar las in ihr wie in einem Buch. Er kannte sie so gut. Viel zu gut.
Er lehnte sich in der Bank zurück und taxierte sie. „Sag mal ...“ Seinen Tonfall, diesen Tonfall kannte sie. Sie hatten das Thema ruhen lassen, aber sie wusste, dass es ihn beschäftigte. Sie hatte ihren Teil der Abmachung noch nicht eingehalten. Noch nicht. Oh Gott, sie fürchtete sich davor. „Du hast mit ihm immer noch nicht gesprochen, oder?“
Sie hatte eine ausgedörrte Kehle. Sie schob das Gespräch mit Matthias Kollmar vor sich her. „Mach ich noch. Ganz bald. Dieses Wochenende.“ Ihr Herz schrie um Vergebung.
„Na sicher.“ Er sah so enttäuscht aus, das tat ihr weh. So sehr weh. Er rutschte aus der Bank, schob sich an ihr vorbei und trat an den Zampelstuhl.
Sie fühlte sich verlassen, obwohl er noch in derselben Stube war. „Caspar, ich ... es gab noch keine Gelegen...“ Lüge! Die Kollmars gluckten fast nur noch bei ihnen zu Hause herum, weil bald der große Tag war. Sehr bald. Oh Gott! Ihr Herz verkrampfte sich in ihrer Brust. Sie wollte Caspar ganz fest umarmen, anstatt so weit von ihm entfernt zu sitzen. „Tut mir leid.“
„Schon gut.“
Nein, nichts war gut. Es war wieder typisch. Sie hatte ihn angeschwindelt. Sie verabscheute sich selbst.
Er fischte die Patrone des Fernheim-Tuches hervor, kam damit zum Tisch zurück und schlug sie auf. „Also.“ Caspar sah Luisa nicht an.
Sieh mich an, es tut mir leid, hörst du?
Aber er blickte auf die Zeichnung. „Die Zeichnung entspricht den senkrechten Fäden.“ Seine Stimme war leise. Er starrte vor sich hin.
Ich sterbe! Ihr Herz raste verzweifelt.
„Die senkrechten sind die Kettfäden. Die waagerechten sind die Schussfäden. Der Kettfaden ist das Gebein des Gewebes, der Schussfaden seine Seele.“
„Caspar!“ Bitte, sieh mich an!
„Es gibt Kettatlas und Schussatlas. Wenn du von oben auf das Gewebe draufschaust, siehst du den Kettatlas, denn das Muster liegt in der Kette. Bei unserer Bindung hier liegen also sieben von acht Kettfäden auf der Oberseite des Gewebes.“
„Diesen Sonntag red ich mit ihm, Caspar, das schwö...“
„Ich glaub dir nicht. – Drehst du das Tuch um, sieht es anders aus: sieben von acht Schussfäden sind sichtbar und das Muster zeigt sich im Schussfaden. Je nachdem, wie rum du das Tuch hältst, zeigt der eine Faden das Muster und der andere den Restraum. Der Schussfaden ist erst beim Weben wichtig.“
„Caspar!“ Sie hatte beinahe geschrien. Sie war über sich selbst erschrocken. „Es war noch nicht die Gelegenheit. Wie stellst du dir das alles vor?“
„Wie ich mir das vorstelle, Luisa?“ Seine dunkelblauen Augen waren verengt und funkelten dunkel wie Turmalin. Abrupt griff er nach ihrem Handgelenk, der Hornring an ihrem Armband klimperte unschuldig. Er zog Luisa aus der Bank und stellte sie vor den Zampelstuhl, als wäre sie eine Kleiderpuppe. Er blieb dicht hinter ihr, so dass sie seine harten Bauchmuskeln in ihrem Rücken spürte. Luisa konnte gar nicht so schnell denken, wie er auf sie einredete: „Das, Luisa, ist dein Spiel!“ Er deutete auf das Webbett und hielt sie fest umschlungen, nicht liebevoll, sondern wie eine Gefangene, damit sie ihre Augen nicht vom Webstuhl wenden konnte. „Das ist dein Werk, meine Liebe, dein Spiel!“
„Das stimmt nicht, Caspar.“ Ihre Stimme war so dünn wie einst. Sie hatte ihn nie verletzen wollen. Sie war den Tränen nahe, machte sich von ihm los, nahm im Vorbeigehen ihren
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