Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
mich ja nicht einmal. Ihre Gedanken sind bei ihrem toten Sohn und vermutlich auch bei ihrem toten Mann. Zu mir ist sie so freundlich wie zu meinem Bruder, zum Gehilfen, zum Knecht und zur Küchenmagd.«
Ich rollte einen Ballen von blaugefärbtem Leinen auf und hielt das Ende ans Fenster, damit Theoderich die Qualität besser begutachten konnte.
»Davon haben wir noch vier weitere Ballen, jeder in einer anderen Farbe. Theoderich, wenn du darauf warten willst, daß Gertrudis dich eines Tages bemerkt, dann kann das lange dauern. Ich weiß nicht, ob du die Zeit verschwenden willst, die ihr auch gemeinsam erleben könntet.
Warum zeigst du ihr nicht, daß du etwas für sie empfindest?«
»Ich weiß nicht, ob ich das wagen kann. Sie hält mich, glaube ich, für so etwas wie einen dummen Jungen.«
Spöttisch sagte ich: »Falls das stimmt, solltest du ihr schleunigst eine andere Meinung von dir beibringen. Du bist über dreißig Jahre alt, du siehst gut aus, du bist ein erfolgreicher Kaufmann, du stammst aus einer erstklassigen Familie.«
»Das alles zählt aber wenig bei Gertrudis!«
Ich schlug behutsam eine Leinwandverpackung auf, darin lag ein hauchzarter weißer Stoff mit eingewebten Blumen.
»Unser wertvollster Ballen, sehr teuer, aber einzigartig. Dann mußt du eben deine Persönlichkeit in die Waagschale werfen. Du bist liebenswürdig, hilfsbereit, kinderlieb und von angenehmem Wesen.«
Theoderich wurde rot.
»Findest du, Sophia?«
»Ja, das finde ich. Es würde Gertrudis sicher guttun, wenn sie aus ihrer Welt der Erinnerungen zurückfinden könnte in das Leben. Wie wäre es, wenn du sie auf ihrem täglichen Gang zum Friedhof begleiten würdest? Das würde ihr sicher Freude bereiten.«
Theoderich murmelte unbestimmt etwas wie vielleicht, mal sehen, wenn es sich so ergibt. Dann erklärte er, er nehme sämtliche Tuchballen, die ich ihm gezeigt hatte, und ließe sie in einer Stunde abholen. Und dann verschwand er eiligst, ehe ich noch mehr Vorschläge hätte machen können.
Er reiste auch wenig später ab, und ich vermutete stark, daß er meiner Anregung noch nicht gefolgt war.
Schließlich wurde ich ungeduldig und nutzte die Gelegenheit, als ich Tante Engilradis besuchte und sie allein antraf.
Während wir Blithildis zusahen, die inzwischen herumkrabbeln konnte, fragte ich ganz beiläufig:
»Was ist eigentlich mit Theoderich und Gertrudis?«
Tante Engilradis sah mich verblüfft an.
»Was meinst du? Was soll denn mit ihnen sein?«
»Ich dachte nur«, meinte ich beiläufig. »Weil er sie so anschaut.«
Tante Engilradis sagte nichts und dachte eine Weile nach.
»Mir ist bisher nichts aufgefallen«, meinte sie dann. »Wenn da etwas wäre, hätte Gertrudis es mir gesagt.«
»Sie schaut ja auch nicht« bemerkte ich und fing mein Kindchen ein, ehe es das Kohlebecken erreichte.
Es lag Engilradis nicht, aus dem Hintergrund zu beobachten; dazu war sie zu ehrlich, und schließlich war sie ja auch die Herrin des Hauses. Sie fragte also zunächst ihre Tochter, ob da etwas zwischen ihr und Theoderich sei. Gertrudis war entgeistert und stritt es heftig ab.
»Mutter, es ist nicht das geringste zwischen uns vorgefallen. Ich habe nie an einen anderen gedacht, seit Marcmann damals in meinen Armen starb, und so soll es auch bleiben.«
Damit war für Engilradis die Sache erledigt. Sie sagte mir bei unserem nächsten Treffen, ich hätte mich wohl geirrt.
Inzwischen hatte ich es mir aber in den Kopf gesetzt, daß meine Base Gertrudis, der das Leben so grausam mitgespielt hatte, in einer neuen Liebe endlich Trost finden sollte, und dem hartnäckigen Junggesellen Theoderich, der nur bei Frauen schüchtern war, mußte man wohl auch auf die Sprünge helfen.
Ich wollte mir Rat bei meiner Mutter holen; aber die hielt nichts von meinen guten Absichten.
»Wie kannst du nur, Sophia«, sagte sie entsetzt. »Was mischst du dich in die Angelegenheiten anderer Menschen ein.«
»Ich will ihnen doch nur zu ihrem Glück verhelfen«, wehrte ich mich. Aber Mutter blieb unerbittlich.
»Es ist anmaßend von dir, wenn du glaubst, daß sie das nicht ohne dich schaffen. Also laß das gefälligst bleiben!«
Kleinlaut versprach ich es ihr, und ich hielt mich auch daran. Aber ich hatte die Angelegenheit schon zu sehr ins Rollen gebracht. Gertrudis kam vorbei, um sich verärgert bei mir zu beschweren. Ihre Vorwürfe ähnelten denen meiner Mutter. Ich war sehr betreten.
»Es tut mir sehr leid, daß du mir nun böse bist,
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