Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
dies sei doch ein rechter Glückstag. Wie leicht sich ein Mensch doch irren kann. Gott in seiner Weisheit hatte befunden, daß die Unglücksfälle, die unsere Sippe in diesem Jahr betroffen hatten, noch nicht ausreichten, und er führte einen weiteren Schlag gegen uns.
Ja, meine Methildis, da bekreuzigst du dich ganz entsetzt? Aber ich lästere Gott nicht, sondern ich sage nur die Wahrheit.
Am Nachmittag ging Gertrudis zu einer Familie, wo die Mutter schwer erkrankt war. Der Mann, ein Stauer aus dem Hafen, dem Trunk mehr als zugeneigt, pflegte nach der Arbeit schnurstracks in die Kneipe zu gehen und erst
spät in der Nacht heimzukommen. Er dachte nicht daran, für die Pflege seiner Frau zu sorgen oder für die Mahlzeiten seiner drei kleinen Kinder. Engilradis hatte davon erfahren. Sie schickte ihre Tochter in die ärmliche Hütte an der Stadtmauer und machte sich selbst zum Hafen auf, um dem Ehemann ins Gewissen zu reden.
Wäre sie doch mit ihrer Tochter gegangen! Alles wäre anders gekommen.
Gertrudis hatte die kranke Mutter gepflegt, die Hütte ausgefegt und die Kinder gefüttert. Sie bat eine der Nachbarinnen, von Zeit zu Zeit nach der Kranken zu sehen und Gertrudis zu holen, falls ihr Zustand sich verschlimmern sollte. Die Frau sagte später aus, Gertrudis sei munter und hochgestimmt gewesen, als sie ging - irgendwie erwartungsvoll.
Es war schon dämmrig, als sie sich auf den Heimweg machte. Offenbar merkte sie nicht, daß ihr ein Junge folgte. Er sagte später aus, er habe sie für eine Frau aus gutem Haus gehalten - womit er recht hatte. Weiter hatte er vermutet, in dem Beutel, den sie am Gürtel trug, sei ein gutes Stück Geld - worin er sich irrte. Er brauchte Geld, er hatte Hunger.
Zweimal war er im Begriff, sie zu überfallen, und jedesmal kamen ihnen Leute entgegen. Dann bog sie in die Straße Unter Goldschmied ein und war schon in der Sichtweite ihres Hauses. Niemand war jetzt zu sehen, und der Junge fing an zu rennen und überholte sie. Überrascht schaute sie sich um, da hatte er sie schon gepackt und schwang ein Messer - nicht, um ihr etwas anzutun, wie er später unter Tränen beschwor, sondern nur, um den Riemen des Beutels durchzuschneiden und sich dann mit seiner Beute davonzumachen. Gertrudis war eher verärgert als erschrocken.
»Laß den Unfug, das sind doch nur meine Heilkräuter«, rief sie und versuchte, seine Hand abzuwehren. Unglücklicherweise traf er dabei mit dem Messer ihr Handgelenk,
und sofort ergoß sich ein Blutstrahl auf ihn, auf sie und auf den Boden.
Theoderich hatte ihre Rückkehr mit hoffnungsvoller Ungeduld erwartet und immer wieder aus dem Fenster nach ihr Ausschau gehalten. Er hatte sie am Ende der Straße schon erspäht und war vor die Haustür getreten, um ihr entgegenzugehen. In diesem Augenblick mußte er mit ansehen, wie sie von hinten von einem jungen Mann angesprungen wurde. So schnell er konnte, rannte er zu ihr hin, aber es dauerte doch eine Weile, bis er sie erreichte. Sie stand still und sah ungläubig auf ihr Handgelenk mit seiner klaffenden Wunde, der das Blut im Rhythmus des Herzschlags entströmte. Auch der Junge stand still und starrte sie an. Theoderich schrie laut auf vor Entsetzen und griff stützend nach Gertrudis, die langsam in sich zusammensank. Auf seinen Schrei hin kamen Leute aus den Häusern, und einer packte den Jungen, der immer wieder wimmerte: »Das wollte ich nicht, das wollte ich doch nicht!«
Eine Frau schrie: »Der da hat sie erstochen!« und wies auf das viele Blut, das auf Gertrudis, den Jungen und auf den Boden gespritzt war. »Schlagt ihn tot!«
»Nein«, sagte Gertrudis da leise, aber klar, »es war ein Unfall, keine Absicht. Ich glaube fest, daß er mich nicht verletzen wollte.« Aber das Blut strömte weiter und weiter.
»Halt mich fest, Theoderich, mir ist kalt.« Er zog sie in seine Arme, deckte sie mit seinem Mantel zu und preßte verzweifelt seine Hand auf die Wunde. Es half nichts. Das Blut bahnte sich schon einen Weg in den Rinnstein.
Da kniete Theoderich nun auf der schmutzigen Gasse, hielt die Frau, die er liebte, zum erstenmal in seinen Armen - und ihm war klar, daß es auch das letzte Mal war. Da nahm er allen Mut zusammen.
»Gertrudis, ich will dir schon lange etwas sagen. Ich liebe
dich über alles und möchte mich nie mehr von dir trennen. Willst du meine Frau sein?«
Da lächelte Gertrudis, die inzwischen weiß bis in die Lippen war. »Ja, ich will, Liebster«, sagte sie beglückt.
»Und kümmere
Weitere Kostenlose Bücher