Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
ganzen Familie trug.
Mein Vater trauerte bitter über den Verlust seines Lieblingssohnes. Ich lag nach seiner Rückkehr in der Hofkapelle neben ihm auf dem kalten Boden, und wir weinten und beteten gemeinsam.
Aber insgeheim fragte ich mich doch: Wozu dieser sinnlose Tod? Warum der Aufstand gegen den Vater? Er ist gezeichnet von Jahren der Ausschweifung, aber auch von zahlreichen Feldzügen und ihren Entbehrungen, ich glaube kaum, daß ihm ein hohes Greisenalter beschieden sein könnte. Hätten
meine Brüder nicht warten können, bis er seine Augen für immer schließt? Ich sah auf meine Söhne Heinrich und Otto und fragte mich, ob sie gegen meinen Löwen kämpfen würden, um sich ihr Erbe zu ertrotzen. Nun, da ist ja kaum mehr etwas, für das sie kämpfen könnten; das riesige Reich, das ihr Vater für sie in ewigen Kämpfen und Mühen erbaut hatte, ist zerbröckelt und geraubt.
Nein, ich kann und kann mir nicht vorstellen, daß meine Söhne sich gegen ihren Vater hätten stellen können. Sie lieben ihn.
Aber auch meine Brüder haben einst ihren prachtvollen jungen Vater bewundert und geliebt …
In diesem Sommer erteilte mein Gemahl im Garten unseren Söhnen eine Lektion im Schwertkampf und zeigte ihnen Finten, mit denen man einen Gegner täuschen kann. Er ist noch immer rasch und wendig wie ein Jüngling. Auch meine Richenza stand dabei und schaute aufmerksam zu; aber als die Brüder ihr zuriefen, sie solle es doch auch einmal probieren, schüttelte sie gelassen den Kopf. ›Es reicht, wenn ihr Großvaters Blumen zertrampelt und die Rosen mit euren ungezielten Hieben köpft‹, bemerkte sie freundlich. Mein Vater plant, Richenza später mit dem König Wilhelm von Schottland zu verheiraten. Dieser ist schon rund vierzig Jahre alt und noch immer Junggeselle. Ich hörte, daß auch er den Beinamen ›Der Löwe‹ trägt, vielleicht ist das ein gutes Vorzeichen. Einstweilen eilt es mir aber gar nicht damit, meine einzige Tochter fortzugeben. Wenn Wilhelm es bis jetzt nicht für nötig hielt zu heiraten, kann er gerne noch etwas länger warten.
Außerdem werde ich, wenn es soweit ist, meine Tochter erst einmal fragen, ob ihr ein Mann, der bequem ihr Vater sein könnte, so willkommen ist, wie mir mein Löwe war.
Die kühnen Fechtmanöver meiner Söhne wurden durch
meinen Vater und einen Boten unterbrochen, der uns eine weitere Todesnachricht überbrachte, die uns allerdings sehr viel weniger betrübte: Otto von Wittelsbach war gestorben, Vetter und Bannerträger des Kaisers, Kampfgenosse meines Löwen in früheren Tagen, nun aber dessen Nachfolger im bayrischen Herzogtum.
Mein Vater rieb sich die Hände. Zum erstenmal seit dem Tod des jungen Heinrich wirkte er fröhlich. Unternehmungslustig sagte er: ›Nun, Löw‹, (so nennt er meinen Gemahl, weil sie beide den gleichen Vornamen tragen), ›jetzt steht deinem Wiederaufstieg wohl nichts mehr im Weg. Ich werde unverzüglich einen Gesandten an Kaiser Friedrich losschikken und vorschlagen, dich wieder als Herzog von Bayern einzusetzen.‹
Mein Mann zögerte und blickte mich an. Er kannte den Kaiser besser als mein Vater. Ob dieser das Ziel, das er sich so sorgsam vorgenommen hatte, nämlich die Entmachtung eines gleichwertigen Konkurrenten, so ohne weiteres und ohne Not wieder preisgeben würde - das schien ihm nicht allzu wahrscheinlich. Aber mein Vater achtete gar nicht auf die zweifelnde Miene seines Schwiegersohns und entwarf im Geist bereits ein diplomatisches Schreiben.
Für den nächsten Mai war ein ganz großes Fest in Mainz geplant: Die Kaisersöhne sollten dort ihre Schwertleite feiern und damit in den Ritterstand erhoben werden. Kaiser Friedrich wollte ein Fest geben, wie man es nie zuvor erlebt hatte. Mein Vater bestimmte, daß dies der geeignete Anlaß für seinen Schwiegersohn sei, wieder in das Licht der Öffentlichkeit zu treten - wohin er seiner Ansicht nach gehörte. Ich fürchte, daß er gar nicht bemerkte, wie sehr er damit meinen Mann bevormundete! Ich sah den hilflosen Blick, mit dem der eine den anderen Heinrich anschaute, konnte aber nichts tun oder sagen. Ich wußte nur zu genau, daß mein Vater es
gut mit uns meinte und jedwede Bedenken überhaupt nicht verstanden hätte.
So machte sich also mein geliebter Löwe im Frühjahr auf den Weg nach Mainz. Mein Vater, der fest mit der glanzvollen Wiederauferstehung seines welfischen Schwiegersohns rechnete, hatte mich an dessen Seite sehen wollen; aber ich wehrte mich dagegen. Nachdem
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