Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
widerstehen können und beide Augen zumachen, wenn wieder einmal ein Troubadour ankommt, um sein Loblied auf die schöne Gefangene zu singen.
Auch meine Brüder sind schon oft über den Kanal gesegelt, um sie aufzusuchen. Niemals haben die Wächter gewagt, sie zurückzuweisen - und es vielleicht auch gar nicht gewollt, denn es ist keiner unter ihnen, der nicht bewunderndes Mitgefühl hat für die Königin, die immer Haltung bewahrt, sich täglich sorgfältig kleidet, immer ein freundliches Wort für sie findet und sich nach dem Ergehen ihrer Kinder erkundigt. Sie ist wie ein schöner Vogel mit prächtigem Gefieder, der sich in seinem Reich in die Lüfte zu schwingen pflegte, nun
aber in einen Käfig gezwängt wurde, ohne ein Wort der Klage.
Wie gern wäre auch ich in ein Schiff gestiegen, um zu ihr zu fahren! Aber durch die Aufregungen der letzten Zeit habe ich nach einer qualvollen Nacht eine Fehlgeburt erlitten. Ich habe sehr viel Blut verloren und bin noch ganz schwach. Ich danke Gott, daß er mich in seiner Güte am Leben gelassen hat, aber nachts, wenn mich niemand sieht, weine ich um das verlorene Kind.
Darum war auch gar nicht daran zu denken, daß ich meinen Löwen hätte begleiten können. Er ging nämlich sehr bald nach unserer Ankunft wieder auf eine Pilgerreise, diesmal nach Santiago de Compostela. Mein Löwe ist ja ein tiefgläubiger Mensch, und er meint, da Gott ihn so hart geschlagen und ihm soviel genommen hat, müsse er wohl unzufrieden mit ihm sein, und er wollte ihn mit dieser Pilgerfahrt wieder versöhnen. Ach, wenn ich daran denke, wie er damals ins Heilige Land zog! Wie er als hochgeehrter Gast beim Kaiser von Byzanz weilte, großes Aufsehen in Jerusalem erregte, von Sultan Kilidsch Arslan als Freund angenommen wurde!
Vorbei.
Zu Weihnachten hält mein Vater einen Hoftag in Caen ab, mit allem Prunk, an den er gewöhnt ist. Alle seine Söhne sollen dabeisein, auch mein Bruder Richard, den alle Welt schon ›Löwenherz‹ nennt, und auch unser Nesthäkchen, mein Bruder Johann. Er war noch nicht geboren, als du damals in London bei uns warst, und auch ich habe ihn nur als kleines Kind gesehen. Die Leute nennen ihn ›Johann Ohneland‹, denn alle Besitzungen unserer Eltern sind schon für die älteren Söhne vorgesehen. Aber vielleicht findet sich ja eine reiche Erbin für ihn.
Denke nicht, daß ich an Langeweile gelitten hätte, während mein Mann auf seiner Pilgerfahrt war. Die Troubadoure schwärmten aus allen Richtungen herbei und ersannen die klangvollsten Lieder für mich. Besonders hartnäckig schmachtete Bertran de Born, ein Freund meiner Brüder. Was er sich für glühende Reime für mich erdachte, mag ich gar nicht schreiben.
Endlich kam mein Löwe zurück. Vermutlich hat ihn gleich bei seiner Ankunft jemand vertraulich in Kenntnis davon gesetzt, daß seine Frau reichlich Anbeter gefunden hatte, denn er beglückwünschte mich lächelnd zu meinen Erfolgen. Ich wollte schon ganz munter antworten, daß ich es sehr genossen hätte, so umschwärmt zu werden.
Dann sah ich aber das unruhige, besorgte Flackern in seinen Augen und brachte es nicht übers Herz, ihn zu necken. Ich nahm ihn bei der Hand, kümmerte mich kein bißchen um die schockierten Blicke von Vaters Hofstaat und zog meinen Löwen fort in das Schlafgemach. Als er etwas zögerlich den Arm um mich legte, küßte ich ihn viele Male und sagte, daß kein Troubadour der Welt so herrliche, zarte Worte finden könnte, wie ich sie von meinem Mann seit jeher zu hören gewöhnt war, und daß ich mich sehr nach ihm gesehnt und seiner Rückkehr entgegengefiebert hätte, und daß kein noch so schöner Jüngling in meinen Augen meinem Löwen auch nur annähernd gleichkäme. Ich hätte vielleicht noch mehr gesagt, aber dazu ließ Heinrich es nicht mehr kommen - es gab einen Skandal, denn wir versäumten das festliche Begrüßungsmahl meines Vaters und blieben im Bett bis zum nächsten Morgen …
In Liebe, deine treue Freundin Mathilde.
Du seufzt, meine Tochter? Ja, das klingt so schön und romantisch, daß man es kaum glauben mag. Aber ich sage dir, so war Mathilde. Als sie als Braut des um so vieles älteren und ihr zudem noch unbekannten Herzogs Heinrich nach Deutschland reiste, war sie eisern entschlossen, ihn zu lieben. Sie hatte dann aber das Glück, bei ihm in Wirklichkeit ganz und gar ihre Erfüllung zu finden. So manche andere Frau hätte sich, als er seine Macht, seine Länder und seinen Reichtum verlor - nun,
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