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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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erhört. Eines Nachts hörte Gunther einfach auf zu atmen.
     
    Ich hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, daß er wieder genesen würde; viele Kranke hatten überlebt, darunter auch Alte und Schwache; mein Sohn war jung und kräftig, warum sollte gerade er die Seuche nicht bezwingen?
     
    Als ich endlich begriff, daß er nie wieder die Augen öffnen würde, überfiel mich der Jammer mit solcher Wucht, daß ich laut zu schreien anfing. Mir fiel der grauenhafte Augenblick ein, als ich Gunthers Bruder Regenzo tot in seiner Wiege
gefunden hatte, und ich schrie und schrie. Ich wollte mit dem Kopf gegen die Wand rennen, um meinen entsetzlichen Schmerz zu beenden. Doch dann stand Gottschalk mir zur Seite und hielt mich ganz fest, bis mein Geschrei in trostloses Weinen mündete. Nach langer Zeit schlief ich völlig erschöpft ein, und als ich viele Stunden später wieder aufwachte, war mein Sohn schon bereit, um zur letzten Ruhe getragen zu werden. Schleppend stand ich auf, um ihn zu begleiten; aber als der Sarg zur Tür hinaus getragen wurde, brach ich zusammen. Ich fiel in eine so tiefe Ohnmacht, daß meine Angehörigen fürchteten, sie müßten nun auch noch mich betrauern.
     
    Es dauerte Tage, bis ich wieder aufstand, und Wochen, ehe ich imstande war, meinen üblichen Pflichten nachzugehen. Aber ich hatte mich verändert. Still und ernst war ich geworden. Und ich fand ständig neue Vorwände, um nicht in die Kirche zu gehen. Ich grollte allen: den Heiligen, der Gottesmutter, die ich mir gut vorstellen konnte, und auch Gott, von dem ich mir kein Bild zu machen vermochte. Warum hatten sie alle meinem Sohn nicht geholfen, da sie es doch gekonnt hätten? Ich wußte, daß die Seuche viele hundert Todesopfer in Köln gefordert hatte, ganz besonders in den Armenvierteln, und daß es außer mir unzählige Mütter, Kinder und Ehegatten gab, die jetzt trostlos und allein waren. Aber das half mir nicht. Zu viele letzte Abschiede waren es in diesem Jahr gewesen. Das Maß war übervoll, ich wankte unter der Last meiner Trauer. Das einzige, was mich noch auf meinen Füßen hielt, war die Fürsorge für meine junge Schwiegertochter Johanna, die nun Witwe war, und ihre kleinen verwaisten Kinder. Und langsam besann ich mich auch auf meine eigenen jüngsten Kinder, die mich brauchten. Ich weiß noch, wie du im Garten eine letzte, späte Rose pflücken wolltest und dir an den Dornen die Fingerchen
blutig gestochen hast. Du brachst in Geschrei aus, und ich eilte herbei und herzte und tröstete dich. Da hieltest du mir, noch mit dicken Kullertränen auf den Bäckchen, die Blume hin und sagtest: »Mutter wieder froh sein!«
    Das war der erste Trost seit dem Tod meines Sohnes. Von diesem Tag an ging es mir langsam wieder besser, wenn es auch nie mehr wurde wie zuvor.

    Man sagt, die Zeit heile alle Wunden. Nun, vielleicht schließen sich alle Wunden, an denen man nicht stirbt, aber auch Narben können schmerzhaft sein. Ich führte nun ein stilleres Leben als zuvor. Ich unternahm keine Handelsfahrten mehr, in Braunschweig wartete niemand mehr auf mich, nachdem Mathilde und ihr Löwe nebeneinander im Grab ruhten und keines ihrer Kinder dort weilte. Gottschalk reiste also ohne mich, und ich war Wochen und Monate allein - wie andere Händlersfrauen auch. Jeden Tag merkte ich, wie schmerzlich mir meine Eltern und Tante Engilradis fehlten. Auch die alte Äbtissin von St. Ursula war an der Seuche gestorben, und ich hatte keine weise Frau mehr, bei der ich mir Rat holen oder mich auch einfach nur aussprechen konnte. Ich begriff, daß jetzt ich selbst die ältere Frau war, zu der die jungen kamen. Ich nahm mir viel Zeit für meine jüngsten Töchter, für dich, meine Methildis, und Sophia. Auch Blithildis kam häufig mit ihren Kindern.
     
    Eure ältere Schwester Margarete war mir schon eine tüchtige Hilfe. Sie versprach, eine glänzende Hausfrau zu werden; für den Handel zeigte sie allerdings weder Neigung noch Begabung. Sie konnte gutes Tuch nicht von minderwertigem unterscheiden und wollte es auch nicht lernen. Nun, wir würden sie an einen Kaufmann verheiraten, der auch ohne die Hilfe seiner Frau zurechtkam.

    Auch Henrich und Gottschalk lebten noch in unserem Haus. Sie waren es nun, die ihren Vater auf den Handelsfahrten begleiteten, und sie gingen durch eine gute Schule. Niemand würde sie später übervorteilen können, da war ich mir sicher.
     
    Ich hatte auf den Rat meiner Mutter gehört und mir immer erstklassige Helfer gesucht, sowohl

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