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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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zufällig vom Baum, das wäre auch ohne dein Gebet geschehen. Sprich nicht mit deinen Eltern darüber, es würde sie zu tief betrüben. Wenn du mit jemandem darüber reden mußt, bin ich für dich da.«
    Er erhob sich und ging zur Tür; offenbar hatte meine Mutter draußen gewartet, denn ich hörte sie im Flüsterton miteinander sprechen. Nach kurzer Zeit klopfte sie und reichte einen Becher Wein herein.
    »Trink das jetzt«, meinte Großvater. Ich nahm einen Schluck und setzte den Becher wieder ab. »Der Wein ist nicht mit Wasser gemischt«, bemerkte ich. Ich bekam sonst immer nur ganz wenig Wein mit viel Wasser.
    »Ich weiß. Trink ihn trotzdem, damit du schlafen kannst.«
    Ich tat es, und wirklich war ich bald darauf sehr müde. »Ich werde ins Kloster gehen«, murmelte ich noch. Ich merkte nicht, wie Großvater hinausging, aber als ich am Morgen erwachte, lag nicht Lisa auf dem Strohsack neben mir, sondern Mutter.
    Es dauerte einen Augenblick, bevor mein benommener Kopf wieder wußte, was gestern Schreckliches geschehen war. Und an diesem Tag hätte mein Hochzeitstag sein sollen.
    »Ich gehe ins Kloster, Mutter«, sagte ich mit schwerer Zunge. Mutter widersprach mir nicht. Sie nahm mich in
die Arme und machte nur: »Sch, sch!«, so wie sie mich getröstet hatte, wenn ich mir als kleines Mädchen weh getan hatte.

    Der Tag, der mein Hochzeitstag hätte sein sollen, ging schleppend vorüber. Gegen Mittag wurde ich in ein ungefärbtes Kleid gesteckt und ging mit meinen Eltern zum Hause Hermann Birklins, um mich von meinem toten Bräutigam zu verabschieden. Sein Leichnam lag aufgebahrt im Hof, bereit für den Weg zur ewigen Ruhestätte. Aufrecht und tränenlos, aber mit gramverzerrtem Gesicht standen seine Eltern daneben, dahinter sein bitterlich weinender Bruder Werner, der sein Mönchsgewand bereits abgelegt hatte, und das klagende, händeringende Gesinde. Ich sah den Schmerz in all den trauernden Gesichtern und dachte immer wieder: Ich bin schuld! Ich bin schuld!
    Zögernd trat ich an den offenen Sarg. Gerard lag da, als schliefe er nur. Ach, er wäre mir sicher ein guter Mann geworden - wäre ich nur die richtige Frau für ihn gewesen. Ich legte zaghaft meine Hand auf seine Brust. Ich bin schuld, ich bin schuld. Leise flüsterte ich: »Ich gehe ins Kloster!« Aber Hermann Birklin sagte mit fester Stimme: »Das wirst du nicht, Sophia. Du bist zu schade fürs Kloster. Wenn mein Sohn noch sprechen könnte, würde er dasselbe sagen. Trauere mit uns um ihn, der unsere Hoffnung war, und kehre dann ins Leben zurück.« Dann schritt ich, während die Sterbeglocke von St. Laurenz klagend läutete, hinter dem Sarg zum Friedhof.

    In den nächsten Tagen erklärte ich starrköpfig immer wieder, ich wolle Nonne werden. Ich hätte schreien können, weil meine Eltern mich so rücksichtsvoll und behutsam behandelten. Sie glaubten, mein Herz sei vor Kummer gebrochen, und ahnten nicht, daß es vielmehr mein schlechtes Gewissen
war, das mich peinigte. Als mein Großvater wieder an meine Kammer klopfte, ahnte ich, daß meine Eltern selbst keinen Rat mehr wußten.

    Ich weiß nicht, wie lange meine Kammertür verschlossen war. Meine Eltern rätselten draußen vermutlich, welch kluge Worte Großvater für das arme verstörte Kind fand. Aber so war es nicht. Er setzte sich auf den einzigen wackligen Hocker, und da ich mich aus Höflichkeit bei seinem Eintritt erhoben hatte, mußte ich nun eben stehen. Er schaute mich mit gerunzelter Stirn und strenger Miene an, und ich starrte trotzig zurück. Sehen wir mal, wer es länger aushält, sagte sein Blick. Wenn es nur ums Starren gegangen wäre, hätte ich noch lange standgehalten, aber schließlich konnte ich nicht länger stehen. Großvater bemerkte es, seine Miene wurde milder, und er sagte einlenkend: »Genug jetzt, Sophia! Ich will kein Wort mehr vom Kloster hören.« Das war alles. Er erhob sich und verließ als Sieger meine Kammer. Ich folgte ihm und wußte nicht so recht, ob ich jetzt erleichtert oder beleidigt war.
    Meine Eltern sahen uns beklommen entgegen, aber Großvater verkündete: »Sie sieht im Kloster nicht mehr ihre einzig denkbare Zuflucht.«
    Ich hatte keine Lust zu widersprechen, sagte aber, ich bäte darum, kein Wort mehr über einen neuen Bräutigam zu hören, solange ich das nicht selber wünschte. Das versprach Vater mir eilig, und danach nahm niemand im Hause das Wort Hochzeit mehr in den Mund.

    Ich weiß noch gut, wie elend ich mich in der folgenden Zeit fühlte.

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