Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
werde sie daran hindern.«
Sie betrachtete mich schweigend. Aus der Nähe konnte ich die bernsteingelben Flecken in der Iris ihrer Augen sehen, die mich bei unserer ersten Begegnung am Fuß des Whitehall-Palastes so verzaubert hatten; einmal mehr fiel mir die in den Tiefen ihres Blicks ruhende Kraft auf, der zu widerstehen nur sehr wenige in der Lage waren, wie ich schlagartig begriff. An jenem ersten Abend war ich bereit gewesen, mich ihr zu Füßen zu werfen und alles zu tun, um ihre Gunst zu gewinnen. Jetzt stand ich zwar immer noch unter ihrem Bann, sah mich aber nicht mehr als dessen Sklave. So war es mir auch lieber. Ich war froh darüber, in der Lage zu sein, der Prinzessin in die Augen zu schauen und unsere gemeinsame Menschlichkeit zu erkennen.
»Ja«, murmelte sie. »Ich glaube, dass Ihr das erreichen werdet. Cecil hat recht: Ihr werdet alles tun, um einen Sieg der Dudleys zu verhindern. Aber Ihr habt sehr wohl eine Wahl. Was mich betrifft, habt Ihr Eure Schulden abbezahlt. Selbst wenn Ihr Euch entscheidet, diesen Auftrag nicht anzunehmen, ist Euch ein Platz in meinen Diensten sicher.«
Lächelnd neigte ich den Kopf und wich einen kleinen Schritt zurück.
»Was?«, rief sie. »Missfällt Euch diese Wahl? Wenn ich mich richtig entsinne, habt Ihr mich in Whitehall genau darum gebeten. Ihr sagtet, Ihr würdet mir gern dienen. Hat Euch Cecil am Ende ein besseres Angebot gemacht?«
»Überhaupt nicht.« Ich hob den Blick zu ihr. »Ich fühle mich geehrt und bin dankbar. Aber das ist nicht der Grund, warum Eure Hoheit den ganzen weiten Weg gekommen sind. Ihr wisst bereits, dass ich Euch dienen werde, komme, was wolle.«
Einen Moment lang schwieg sie. »Sind meine Gedanken so leicht zu lesen?«, fragte sie dann.
»Nur für diejenigen, die bereit sind, genau hinzusehen.« Ich spürte, wie sich in mir ein Abgrund öffnete, während ich mir vor Augen hielt, was sie alles war, wofür sie stand und was sie alles verlieren konnte, wenn sie jemals ihrem von Konflikten zerrissenen Herzen nachgab, das sie trotz der Gefahr für ihr Leben zu diesem Ritt zu mir beflügelt hatte.
»Ich … ich will nicht, dass ihm ein Leid geschieht«, sagte sie stockend. »Robert trifft keine Schuld … Er hat getan, was ihm befohlen wurde, und er … er hat doch versucht, mich zu warnen. Ich kenne ihn von Kindesbeinen an; in ihm steckt so viel Gutes. Es ist nur so, dass ihn – wie so viele, die in diese Welt geboren worden sind – nie der hohe Wert der Wahrheit gelehrt wurde. Aber er kann noch erlöst werden. Sogar er kann für seine Sünden Buße tun.«
Ich ließ das sich nach ihrer Beichte ausbreitende Schweigen seine Wirkung entfalten. Ich wollte sie weder mit meiner eigenen Meinung schmälern noch einem Versprechen opfern, von dem wir beide wussten, dass ich es vielleicht nicht halten konnte.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihre Finger nestelten an ihrem Umhang. Abrupt sagte sie: »Ihr werdet hoffentlich, allein schon um Kates willen, auf Euch aufpassen?«
Ich nickte. Sie wusste also doch Bescheid. Auch dieses Geheimnis teilten wir.
Sie wandte sich zur Tür, wo sie noch einmal innehielt, die Hand auf dem Riegel. »Geht achtsam mit Mary um«, sagte sie. »Ich liebe meine Schwester, aber sie ist keine vertrauensvolle Frau. Das Leben hat sie so werden lassen. Seit jeher traut sie den Menschen immer nur das Schlechteste zu, nie das Beste. Manche sagen, das sei die Spanierin in ihr. Ich aber meine, es ist unser Vater.«
Unsere Augen begegneten sich. »Nehmt Ihr Kate mit Euch?«, fragte ich. »Ich möchte sie in Sicherheit wissen, soweit das unter den Umständen möglich ist.«
»Ihr habt mein Wort.« Sie zog die Tür auf. »Hütet Euch vor Drachen, Brendan Prescott«, fügte sie, schon auf der Schwelle, hinzu, und ich hörte einen Anflug von trockenem Humor in ihrer Stimme. »Und was immer Ihr tut, haltet Euch vom Wasser fern. Es ist ganz offenbar nicht Euer Element.«
Ich lauschte, wie ihre Schritte auf der Treppe verhallten. Mir war klar, dass ich sie am Morgen nicht mehr sehen würde, denn ich musste schon vor der Dämmerung aufbrechen. Doch nun begriff ich endlich, warum Robert Dudley bereit gewesen wäre, seine Familie aus Liebe zu ihr zu verraten.
Und hätte sie die Möglichkeit, würde Elizabeth vielleicht genau dasselbe für ihn tun.
23
»Wann, hast du gesagt, trifft sie ein?«, fragte Peregrine zum bestimmt schon hundertsten Mal.
»Ich habe überhaupt nichts gesagt.« Darum bemüht, meine Ungeduld zu
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