Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
brauche jede Hilfe, die ich bekommen kann, selbst von den verräterischen Lords.«
Im beißenden Ton ihrer Erklärung schwang eine Warnung mit. Sie war keine Frau, die man so leicht durchschauen noch – wie es schien – zufriedenstellen konnte. Was sie in ihrer Jugend erlitten hatte, hatte sie fürs Leben geprägt. Offenbar kannte Elizabeth sie nur zu gut.
»Eure Majestät«, fuhr ich fort, »wenn der Herzog gegen Euch zu Felde zieht, werden die Fürsten Eure Sache mit größerem Wohlwollen betrachten.«
»Ich gebe nichts auf ihr Wohlwollen. Sie wären gut beraten, sich meinen Wünschen zu fügen, sofern sie ihre Köpfe behalten wollen.« Sie schritt zu ihrem Pult, ergriff ein gefaltetes und ein versiegeltes Pergamentdokument und streckte mir beide entgegen. »Das versiegelte ist chiffriert. Wer ein bisschen Erfahrung damit hat, wird den Code kennen. Sagt den Fürsten, dass sie den Anweisungen ohne jede Abweichung zu folgen haben. Das andere Schreiben ist ein Brief an meine Cousine Jane Grey. Prägt ihn Euch ein. Es handelt sich um eine persönliche Mitteilung, die ausschließlich für ihre Ohren bestimmt ist. Wenn Ihr keine absolut verlässliche Form der Übermittlung findet, zerstört Ihr den Brief. Er darf nicht in falsche Hände fallen.«
»Sehr wohl, Eure Majestät.« Damit trug sie mir sehr viel mehr auf, als ich erhofft hatte. Ein einziger Brief würde schon gefährlich genug sein. Nicht auszudenken, was mir bei zweien drohen konnte.
»Ich erwarte in beiden Fällen keine Antwort«, ließ sie mich wissen. »Ich dürfte ohnehin bald genug in London eintreffen. Aber wenn Ihr eine Kunde erhaltet, die mein Vorgehen beeinflussen könnte, ob günstig oder nicht, erwarte ich, umgehend in Kenntnis gesetzt zu werden. Eure Treue jenen gegenüber, die Euch angeworben haben, darf nicht diejenige zu Eurer Königin ersetzen. Habt Ihr verstanden?«
»Selbstverständlich.« Ich wollte mich über ihre Hand beugen, doch sie entzog sie mir. Als ich nach oben schielte, betrachtete sie mich mit einem Ausdruck, als würde sie mich nicht mehr kennen. »Überbringt Master Cecil meine Grüße«, sagte sie kalt. »Auch wenn es nicht in meinen Anweisungen steht, richtet ihm von mir aus, dass er weiß, was er tun muss.«
Ich steckte die Schreiben wortlos ein und entfernte mich in gebeugter Haltung rückwärtsgehend aus dem Saal.
LONDON
27
Über der Themse bildeten Nebelschwaden einen flüchtigen Schleier. Doch da die Vormittagssonne schon jetzt einen goldenen Glanz auf das Gewimmel und Gedränge von London warf, versprach der Tag, heiß zu werden.
Es war ein kurzer Ritt von eineinhalb Tagen gewesen. Auf lange Pausen hatte ich verzichtet. Unterwegs hatte ich nicht nur die Hauptwege, sondern auch alle größeren Siedlungen gemieden. Diskrete Befragungen hatten ergeben, dass sämtliche Städte voller Anhänger der Königin waren und man in Erwartung des Herzogs die Tore verrammelt und mit Soldaten bemannt hatte. Wie stets, wenn eine Situation in Chaos münden konnte, wimmelte es auf den Straßen von Gesindel. Da war ein einsamer Reiter eine leichte Beute. So hatte ich in der Nacht vorsichtshalber Zuflucht in einem Wald gesucht und meine Reise noch vor der Morgendämmerung fortgesetzt.
Jetzt stand ich auf der Kuppe eines Hügels, ein Aussichtspunkt, von wo aus ich einen guten Blick auf den Ort hatte, in dem alles angefangen hatte. War es wirklich erst elf Tage her, dass ich diese Stadt erstmals mit den Augen eines ehrfürchtigen Jungen erblickt hatte, der darauf brannte, sein Glück zu machen? Und jetzt bereitete sie mir ein flaues Gefühl in der Magengrube. Mein ganzes Leben lang hatte ich mich danach verzehrt zu wissen, wer ich war und woher ich kam. Dennoch sehnte sich ein Teil meiner selbst danach, umzukehren, mich im gewöhnlichen Leben zu verlieren, eine Welt zu vergessen, in der von königlichen Frauen geborene Söhne verlassen wurden und Männer Könige opferten, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Jetzt wusste ich, dass die Antworten, die ich in London zu finden gehofft hatte, mir nichts offenbaren würden, was ich hören wollte.
Das Schicksal lächelt oft den am wenigsten Begünstigten.
Ich stieß ein humorloses Lachen aus. Allem Anschein nach hatte das Schicksal Humor, denn ich, der am wenigsten Begünstigte, war für mehr Menschen verantwortlich, als es mir eigentlich zustand. Und einer davon näherte sich mir ausgerechnet in einem Moment, da ich in der Stille auf meinem Pferd saß und in Erwägung zog, vor meiner
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