Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
es ist an der Zeit, dass ich mich von alldem hier entferne.«
»Sie wird Euch verbannen?« Auf einmal empfand ich tiefe Enttäuschung. Cecil war kein Mann, den ein kluger Monarch außer Acht lassen sollte. Seine Fähigkeiten als Spion machten ihn zu einem Trumpf oder einer Belastung – je nach den Umständen.
»Sie wird es nicht direkt sagen, aber sie weiß, dass ich keine Wahl habe. Sie wird keinem von den Männern trauen, die dem Herzog oder ihrem Bruder gedient haben. Eigentlich sollte ich dankbar sein, denn anders als die übrigen Herren brauche ich mir nicht die Hände damit zu beschmutzen, dass ich meinen ehemaligen Auftraggeber in den Kerker bringe.«
Diese Hände hatten sich bereits verändert, wie mir auffiel. Die Tintenflecken unter den Nägeln waren verblasst, als hätte er schon damit begonnen, die Haut seiner letzten Rolle abzuwerfen.
»Wäre diese Geschichte anders verlaufen«, fuhr Cecil fort, »hätten wir ziemlich schnell sie in denselben Kerker gebracht. Verbannt zu werden ist wirklich ein Glück, wenn man bedenkt, dass nicht wenige Köpfe rollen werden, bevor alles vorbei ist.«
Mit seinem Werben um Anteilnahme beging er einen Fehler. Ich lächelte. Mary hatte ihn nicht verschmäht. Sie hatte ihn durchschaut. Und jetzt war es für mich an der Zeit, meinen eigenen Würfel zu werfen.
»Aber nicht Euer Kopf. Dafür habt Ihr schon vorgesorgt, nicht wahr? Niemand kennt das Ausmaß Eurer Verwicklung.«
Diesmal bemerkte ich voller Zufriedenheit, wie sich die Haut um seinen Mund straffte.
»Wenn Ihr Mary nicht die Ohren mit Unsinn vollgedröhnt habt – ja«, entgegnete er.
»So tief würde ich nie sinken. So schwer es Euch auch fallen mag, Euch das vorzustellen, Ihre Majestät ist völlig unschuldig und ahnungslos, was Eure Person betrifft.«
»Ihr solltet Euch nicht von Ihrer Aura jungfräulicher Rechtschaffenheit blenden lassen. Sie ist eine Feindin unseres Glaubens, und ihre Thronbesteigung ist eine Tragödie für all jene, die dafür gekämpft haben, England zu höherem Ruhm zu führen.«
»England?« , fragte ich. »Oder nicht doch eher Cecil? Oder läuft für Euch beides auf dasselbe hinaus?«
»Ich versichere Euch, ich war bestrebt, allein Ihrer Hoheit zu dienen.«
Ohne Vorwarnung flammte mein Zorn wieder auf wie ein akutes Fieber. Lügen und noch mehr Lügen – das hörte wohl nie auf. Kein Zweifel, er würde sich bis zu seinem Grab durchschwindeln.
Schluss damit! Ich würde den gottverdammten Heuchler schon noch dazu bringen, die Wahrheit zu sagen!
»Ist das der Grund, warum Ihr Ihre Hoheit an den Hof habt kommen lassen?« Ich näherte mich seinem Stuhl. »Obwohl Ihr wusstet, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzte? Ist das der Grund, warum Ihr sie nicht gewarnt habt? Weil Ihr bestrebt wart, ihr zu dienen ?«
Die Veränderung war unverkennbar. Cecil wäre auf seinem Stuhl zurückgeprallt, hätte er die Reflexe eines normalen Menschen gehabt, der es nicht gewohnt war, seine Reaktionen in jeder Lebenslage zu beherrschen.
»Ihr vergesst, dass ich ihr sehr wohl geraten habe, darauf zu verzichten«, sagte er in gemessenem Ton. »Ich habe sie sogar mehrmals vor der Gefahr gewarnt, aber sie hörte nicht auf mich.« Er rührte sich immer noch nicht, machte keine Anstalten, alarmbereit aufzuspringen, obwohl ich so dicht vor ihm stand, dass ich ihn hätte erstechen können, bevor er dazu gekommen wäre aufzuschreien.
»Ihr habt sie nicht gewarnt. Ihr habt sie manipuliert, so wie Ihr mich gerade manipuliert habt. Ihr habt von Anfang an Euer eigenes Spiel gespielt, und zwar mit uns allen.«
Er lächelte. In der Tat, er lächelte . »Und was, wenn ich fragen darf, war der Inhalt dieses meines Spiels?«
Ich musste zurückweichen, sonst hätte ich nicht mehr an mich halten können. Jetzt endlich trat mir die ganze Wahrheit kristallklar vor Augen, als wäre das angelaufene Fensterglas vor meinem Verstand mit einem Tuch abgewischt worden.
Alles war auf noch viel schrecklichere Weise real, als ich es mir vorgestellt hatte.
»Elizabeth statt ihrer Schwester zur Königin zu küren, das war Euer Spiel. Die Zeit des Herzogs war abgelaufen. Nachdem Ihr jahrelang zugeschaut hattet, wie er die Kontrolle über Edward ausübte, wart Ihr zu dem Schluss gekommen, dass Leute vom Schlag Northumberlands und seines Clans nie wieder über England herrschen sollten. Wenn es so weit war, würden sie fallen, jeder von ihnen, ohne Ausnahme – koste es, was es wolle. Und Mary würden sie mit in den Abgrund
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