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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Königs?«
    »Ja. Sie hat mich gerettet.« Während ich diese Worte sagte, verspürte ich einen übermächtigen Drang, über all das zu reden, damit noch jemand anders die Erinnerung mit mir teilte und Alice nicht in Vergessenheit geriet. »Ich wurde im Pfarrhäuschen bei Dudley Castle mir selbst überlassen. Wahrscheinlich sollte ich sterben. Später wurde mir gesagt, dass solche Dinge öfter geschehen, als man meint – dass ungewollte Babys vor den Häusern von Adeligen ausgesetzt werden. Die Mütter hoffen, dass die Reichen Mitleid bekommen und ihnen das geben, was sich die Armen nicht leisten können. Vom Sterben wollte ich jedenfalls nichts wissen. Laut Mistress Alice habe ich einen Krawall veranstaltet, der Tote hätte aufwecken können. Sie hörte mich bis zum Komposthaufen heulen, wo sie gerade einen Korb Laub ausleerte. Sie ging dann gleich nachsehen.«
    Meine Stimme versagte mir den Dienst. Ich gab mir einen Ruck und konzentrierte mich auf Kates Augen, um darin Kraft zu finden. »Sie war für mich die Mutter, die ich nie kennengelernt habe. Als sie starb – oder vielmehr, als mir gesagt wurde, sie sei tot –, konnte ich ihr nicht vergeben, dass sie mich ohne ein Wort des Abschieds verlassen hatte.«
    »Deshalb warst du also bereit, Ihrer Hoheit zu helfen. Du wusstest, dass sie von ihrem Bruder Abschied nehmen musste.«
    »Ja. Ich konnte sie nicht das erleiden lassen, was ich am eigenen Leibe erfahren habe. Ich weiß, was es heißt, jemanden unerwartet zu verlieren. Ich hielt Mistress Alice ja für tot. Als ich Peregrine kennenlernte, hat er eine Frau erwähnt, die den König pflegte, und einen Moment lang hatte ich ein Gefühl … Aber ich habe nicht ernsthaft daran geglaubt, dass sie das sein könnte. Wie denn auch? Selbst als ich sie dann gesehen habe …« Erneut stockte ich. Meine Stimme zitterte. »Sie hatten ihr die Zunge herausgeschnitten und etwas mit ihren Beinen gemacht, damit sie nur noch humpeln konnte. Und Master Shelton, ihr Haushofmeister, zu dem ich immer aufgesehen und der mir die Nachricht von ihrem Tod beigebracht hatte, stand tatenlos da, als Lady Dudley ihr die Kehle aufschlitzte. Sie ist verblutet, und er hat keinen Finger gerührt.«
    Die Erinnerung bohrte sich wie Glassplitter durch meine Innereien. Ich war ein Narr gewesen, dass ich geglaubt hatte, Master Shelton würde mich für wichtiger halten als seine Pflicht. Ein treuer Diener in allem zu sein, gleichgültig, was das mit sich brachte – das war das Einzige, was er kannte. Ich hätte angesichts seines stumpfsinnigen, sinnlosen Lebens Mitleid mit ihm haben können, hätte ich nicht nach Rache gedürstet.
    Schweigen breitete sich aus. Kate saß zusammengesunken da; schließlich hob sie den Blick zu mir. Ihre Augen schwammen in Tränen. »Vergib mir die Art und Weise, wie ich über ihren Tod gesprochen habe. Das war selbstsüchtig von mir. Ich … ich wollte dir nicht wehtun.«
    Ich küsste sie. »Meine tapfere Kate, du hättest mir die Schmerzen nicht ersparen können. Die habe ich vor langer Zeit erlitten, als wir noch gar nichts voneinander wussten. Ich habe Alice an dem Tag verloren, als sie sie mir weggenommen haben. Die Frau, der ich im Gemach Seiner Majestät begegnet bin, war nicht die Frau, die ich damals kannte. Jetzt kenne ich die Wahrheit. Jetzt weiß ich, dass sie mich nicht verlassen hat. Lady Dudley muss ihre Verschleppung von der Straße angeordnet haben. Und Shelton war ihr Komplize.«
    »Aber warum haben sie ihr etwas derart Schreckliches angetan? Das ist ja lange vor der Erkrankung des Königs geschehen, richtig? Warum wollten sie unbedingt, dass du sie für tot hältst?«
    »Dasselbe habe ich mich auch gefragt«, stieß ich mit einem grimmigen Lächeln hervor. »Ich denke, sie wusste zu viel. Dessen bin ich mir ganz sicher. Mistress Alice wusste, wer ich bin.«
    Kate starrte mich entsetzt an. »Hat das vielleicht mit diesem Schmuckstück zu tun?«
    Statt einer Antwort tapste ich nackt vom Bett zu meinem Umhang und zog das Kleinod aus der Tasche. Der Rubin glitzerte im Licht des Mondes, als ich ihr das Schmuckstück reichte. »Ich glaube, es ist ein Teil meiner Vergangenheit«, erklärte ich und erschauerte jäh. »Ich glaube, Mistress Alice hat es mir in dem Moment gegeben, als sie mich erkannt hatte. Vorher hatte sie mich wohl gar nicht wirklich wahrgenommen. Sie hatte zu viel gelitten. Aber sie hat die goldene Blüte aus einem ganz bestimmten Grund aufbewahrt. Das hat etwas zu bedeuten. Das muss einfach

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