Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
nicht länger benötigt werde, bin ich in seinen Augen nur noch eine unwissende Frau. Da hat es auch nichts zu besagen, dass ich mindestens ebenso fähig bin wie die Radaubrüder, die er in seine Dienste nimmt, Schlösser öffnen und, was Intrigen betrifft, es mit jedem Höfling aufnehmen kann.«
»Ganz zu schweigen von deinem Temperament. Wenn ich er wäre, würde ich mich vor dir in Acht nehmen.«
»Wenn sich jemand in Acht nehmen muss, dann du.« Kate stellte sich dicht vor mich, wie an jenem Nachmittag in der Galerie des Greenwich Palace. »Was immer er von dir will, du kannst sicher sein, dass es gefährlich wird.«
»Ich dachte, er hätte geholfen, mir das Leben zu retten«, hielt ich ihr vor.
»Das hat er auch. Aber das bedeutet nicht, dass ich es ihm anvertrauen würde. Er ist eine Schlange und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Wie ich das sehe, kann nicht einmal Cecil ihn kontrollieren.« Ihre Stimme begann zu beben. »Versprich mir, dass du dich auf nichts Gefährliches einlässt. Ich habe gesagt, dass ich zu Ihrer Hoheit nach Hatfield gehe, und das werde ich auch, aber ich will mich nicht vor Sorge um dich verzehren.«
»Das verspreche ich dir«, gelobte ich mit einem feierlichen Nicken. »So, und jetzt zeig mir den Weg.«
Sie deutete auf die Tür. »Die Treppe hinunter und dann nach rechts. Er ist im Herrenzimmer. Am anderen Ende der Vorhalle.« Sie wandte sich ab. »Ich bin im Garten und hänge Wäsche auf.«
Bei der Vorstellung von Kate als Wäscherin musste ich unwillkürlich grinsen, während ich die Treppe hinuntereilte und mir den Weg durch das Landhaus suchte. Es war eher spärlich eingerichtet, was nach dem Überfluss am Hof eine wohltuende Abwechslung darstellte. Ich durchquerte die Vorhalle und blieb vor einer Tür stehen. Das musste das Herrenzimmer sein. Ich holte tief Luft.
Dann stieß ich entschlossen die Tür auf. Wie Kate drängte sich auch mir bei Walsinghams Anblick der Vergleich mit einer Schlange auf. Daran vermochte auch sein angeblicher Beitrag zu meiner Rettung nichts zu ändern. Viel eher zermürbte es mir die Nerven, dass der Mann mir seit meiner Ankunft in Whitehall wie ein Schatten gefolgt war. Bis zu jener Nacht auf der Mauer des Greenwich Palace hatte er immer nur beobachtet, ohne jemals einzugreifen. Seine Motive waren mir alles andere als geheuer, doch ich verbarg mein Unbehagen, als ich seine hagere Gestalt am Pult sitzen sah, vor ihm Urian, den Kopf auf seine Oberschenkel gelegt.
»Junker Prescott.« Seine spinnenartige Hand liebkoste Urian mit hypnotischer Monotonie. »Ihr habt Euch zügig erholt, wie ich sehe. Die Lebenskraft der Jugend und die Fürsorge einer Frau bewirken in der Tat wahre Wunder.«
Sein Ton ließ erkennen, dass er mehr über diese Fürsorge wusste, als mir lieb war. Ich musste an mich halten, um den Hund nicht aus Entsetzen über seine mangelnde Menschenkenntnis wegzuschicken.
»Mir wurde gesagt, dass Ihr mich zu sprechen wünscht?«
»Immer gleich zur Sache kommen.« Seine blutleeren Lippen zuckten. »Warum auch Zeit mit Überflüssigem vergeuden?«
»Hoffentlich hattet Ihr keine freundliche Plauderei erwartet.«
»Ich erwarte nie irgendetwas. Das ist es ja, was das Leben so interessant macht. Die Menschen schaffen es immer wieder, einen zu überraschen.« Er deutete auf einen Stuhl gegenüber dem seinen. »Bitte setzt Euch. Ich benötige nichts als Eure Aufmerksamkeit.«
Da die Schmerzen in meiner Schulter wieder einsetzten, tat ich ihm den Gefallen. Mich hatte schon beim ersten Wortwechsel dieses vage Gefühl von Unbehagen befallen, das ich jetzt endlich identifizieren konnte. Cecil und seine Männer schienen es wie eine ansteckende Krankheit zu verbreiten.
»Jane Grey und Guilford Dudley sind in den Tower gebracht worden«, eröffnete er mir.
Ich schoss kerzengerade hoch. »Verhaftet?«
»Nein. Es ist Tradition, dass die angehenden Herrscher vor ihrer Krönung dort Unterkunft nehmen.« Er musterte mich.
»Ich verstehe«, erklärte ich mit gepresster Stimme. »Sie setzen es also durch. Sie wollen diesem unschuldigen Mädchen ohne Rücksicht auf Verluste die Krone auf den Kopf setzen.«
»Dieses unschuldige Mädchen, wie Ihr Euch ausdrückt, ist eine Verräterin. Sie usurpiert den Thron einer anderen Frau und wartet jetzt mit sämtlichen Würdenträgern am Hof auf ihre Krönung. Bisher hat sie nur in einer Hinsicht Skrupel gezeigt, und das ist ihre beharrliche Weigerung, ihrem Gemahl die Krönung an ihrer Seite zu gestatten
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