Die Türme der Mitternacht
des Bösen.«
»Nun, Moiraine ist dort«, sagte Mat. »Gefangen. Ich will sie zurückholen. Ich muss die Schlangen und Füchse schlagen. Verdammte Falschspieler.«
»Schlangen und Füchse?«, fragte Perrin.
Thom nickte. » Das Kinderspiel ist nach den Wesen benannt, die in diesem Turm leben. Das glauben wir zumindest.«
»Ich bin ihnen begegnet«, sagte Mat. »Und… nun, dafür ist jetzt wirklich nicht der richtige Augenblick.«
»Wenn du sie retten willst«, sagte Perrin, »dann sollte ich vielleicht mitkommen. Oder zumindest einen der Asha’man schicken.«
»Ich würde mich über ein Wegetor freuen«, sagte Mat. »Aber du kannst nicht mitkommen. Das hat Moiraine in ihrem Brief erklärt. Es dürfen nur drei Männer kommen, und ich weiß bereits, wer das sein wird.« Er zögerte. »Weißt du, Olver wird mich verdammt noch mal umbringen, weil ich ihn nicht mitnehme.«
Perrin schüttelte den Kopf. »Mat. Was du da sagst, ergibt nicht den geringsten Sinn.«
Mat seufzte. »Dann erzähle ich dir doch die ganze Geschichte.« Er warf einen Blick auf den Ale-Krug. »Da brauchen wir aber Nachschub, und du solltest Grady besser sagen, dass es noch etwas dauert…«
KAPITEL 22
Nahe Avendesora
A viendha tat den letzten Schritt und verließ den Wald aus Glassäulen. Sie holte tief Luft, dann schaute sie auf den Pfad zurück, den sie gekommen war.
Der Hauptplatz von Rhuidean war ein ehrfurchtgebietender Anblick. Abgesehen von der genauen Mitte war der ganze Platz mit glatten weißen Steinplatten gefliest. Dort erhob sich ein gewaltiger Baum, dessen weit ausladende Äste in die Höhe griffen, um die Sonne zu umarmen. Der riesige Baum wies eine Perfektion auf, die Aviendha nicht erklären konnte. Da war eine natürliche Symmetrie - keine fehlenden Äste, keine klaffenden Löcher in der Blätterkrone. Das beeindruckte vor allen Dingen deshalb, weil er, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, geschwärzt und verbrannt gewesen war.
In einer Welt, in der andere Pflanzen ohne jede Erklärung abstarben, war der Baum wieder geheilt und schneller erblüht, als möglich hätte sein sollen. Seine Blätter raschelten beruhigend im Wind, und die knorrigen Wurzeln stachen wie die alten Finger eines weisen Greises aus dem Boden hervor. Der Baum entfachte in ihr den Wunsch, sich hinzusetzen und sich im einfachen Frieden des Augenblicks zu sonnen.
Es war, als wäre dieser Baum das Ideal gewesen, nach dessen Muster man alle anderen Bäume erschaffen hatte. In den Legenden nannte man ihn Avendesora. Der Baum des Lebens.
Auf der Seite standen die Glassäulen. Davon gab es Dutzende, vielleicht sogar Hunderte, die konzentrische Kreise bildeten. Von schmaler Statur reichten sie hoch in den Himmel. So natürlich Avendesora war, so unnatürlich waren diese Säulen. Sie waren so schmal und hoch, dass der erste Windstoß sie nach den Gesetzen der Statik hätte umwerfen müssen. Nicht, dass sie bösartig aussahen, lediglich künstlich.
Als Aviendha sie vor einigen Tagen betreten hatte, waren da Gai’schain in Weiß gewesen, die sorgfältig Blätter und Zweige aufhoben. Sobald sie sie erblickten, zogen sie sich auch schon zurück. War sie die Erste, die seit Rhuideans Verwandlung in die Glassäulen ging? Ihr Clan hatte niemanden entsandt, und sie hätte bestimmt gehört, hätte es einer der anderen getan.
Damit blieben nur die Shaido, aber sie hatten Rands Behauptungen über die Vergangenheit der Aiel nicht glauben wollen. Wären Shaido hergekommen, hätten sie vermutlich nicht ertragen können, was sie gezeigt bekamen. Sie wären zur Mitte der Säulen gegangen und nie zurückgekehrt.
Das war bei Aviendha nicht der Fall gewesen. Sie hatte überlebt. Tatsächlich hatte sie nichts Unerwartetes gesehen. Es war beinahe schon enttäuschend gewesen.
Sie seufzte, ging hinüber zum Stamm Avendesoras und schaute in das Geäst hinauf.
Einst war dieser Platz mit anderen Ter’angrealen übersät gewesen; hier hatte Rand die Zugangsschlüssel entdeckt, mit denen er Saidin gereinigt hatte. Dieser Reichtum an Ter’angrealen war verschwunden. Moiraine hatte viele Stücke für die Weiße Burg beansprucht, und die hier lebenden Aiel mussten die anderen genommen haben. Damit blieben nur der Baum, die Säulen und die drei Ringe, durch die Frauen bei ihrer ersten Reise an diesen Ort schritten, die Reise, die sie zu Lehrlingen der Weisen Frauen machte.
An einige Dinge von ihrem Gang durch diese Ringe, der ihr ihr Leben - ihre vielen potenziellen Leben -
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