Die Türme der Mitternacht
ihn dafür zu verurteilen. In mancherlei Hinsicht schienen sie bewundernswerter als ihre eigenen Entscheidungen zu sein.
»Du hast richtig gehandelt«, sagte sie. »Valda war eine Schlange. Ich bin davon überzeugt, dass er für Nialls Tod verantwortlich war. Galad, du hast der Welt einen Dienst erwiesen.«
Er nickte. »Er hat für seine Taten den Tod verdient. Aber ich werde trotzdem eine Erklärung abgeben.« Er stand auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, als er auf und ab schritt; seine weiße Kleidung schien im Licht zu leuchten. »Ich werde erklären, dass meine Mordanklage falsch war, aber dass Valda wegen anderer Verbrechen trotzdem den Tod verdiente. Schlimmer Verbrechen.« Er blieb kurz stehen. »Ich wünschte, ich hätte das gewusst.«
»Es gab nichts, was du hättest tun können, mein Sohn«, sagte sie. »Meine Gefangenschaft war meine eigene Schuld. Denn ich vertraute meinen Feinden.«
Galad winkte ab. »Gaebril konnte man nicht widerstehen, wenn es stimmt, was du gehört hast. Was deine Gefangenschaft angeht, du hast nicht deinen Feinden vertraut. Du wurdest wie wir alle von Valda verraten. Die Kinder sind nie die Feinde einer Person, die im Licht schreitet.«
» Und Perrin Aybara?«
» Schattengezücht.«
»Nein, mein Sohn. Mir gefallen einige der Dinge nicht, die er tut, aber ich sage dir, er ist ein guter Mann.«
»Dann wird das der Prozess beweisen«, sagte Galad.
»Gute Männer können Fehler begehen. Wenn du damit weitermachst, könnte es auf eine Weise enden, die keiner von uns haben will.«
Galad blieb abrupt stehen und runzelte die Stirn. »Mutter, willst du andeuten, dass man ihn mit seinem Verbrechen entkommen lassen sollte?«
»Komm.« Sie gestikulierte. »Setz dich wieder. Dein ständiges Herumgelaufe macht mich ganz schwindlig.«
Vielleicht war er erst kürzlich in den Rang des Kommandierenden Lordhauptmanns aufgestiegen, aber sich einen Befehl anhören zu müssen schien ihn bereits zu stören. Allerdings setzte er sich.
Seltsamerweise kam sie sich wieder wie eine Königin vor. Galad hatte sie während der harten Monate nicht gesehen. Für ihn war sie die alte Morgase, darum kam sie sich in seiner Nähe auch wie die alte Morgase vor. Jedenfalls beinahe.
Niall hatte sie als Gefangene behandelt, sie aber auch respektiert, und sie hatte damals den Eindruck gewonnen, ihn möglicherweise auch respektieren zu können. Was war wohl aus dem Spielbrett geworden, auf dem sie und Niall so oft eine Partie Steine gespielt hatten? Die Vorstellung, dass es beim Angriff der Seanchaner zerbrochen war, erfüllte sie mit Unmut.
Würde Galad ein Kommandierender Lordhauptmann wie Niall werden oder vielleicht sogar noch besser? Die Königin in ihr, die wiedererweckte Königin, wollte eine Möglichkeit finden, sein Licht zum Vorschein zu bringen und den Schatten zu verbannen.
»Galad«, sagte sie. »Was wirst du tun?«
»Wegen der Gerichtsverhandlung?«
» Nein. Mit deinem Heer.«
»Wir kämpfen in der Letzten Schlacht.«
»Bewundernswert. Aber weißt du, was das bedeutet?«
»Es bedeutet, an der Seite des Wiedergeborenen Drachen zu kämpfen.«
»Und an der Seite der Aes Sedai.«
»Wir können eine Weile an der Seite der Hexen dienen, wenn es dem Allgemeinwohl nutzt.«
Sie schloss die Augen und atmete aus. »Galad, hör doch einmal, was du da sagst. Du bezeichnest sie als Hexen? Du bist zu ihnen gegangen, um bei ihnen zu lernen, vielleicht sogar ein Behüter zu werden!«
»Ja.«
Sie öffnete die Augen. Er schien so ernst zu sein. Aber selbst der tödlichste und gewalttätigste Hund konnte ernst sein. »Weißt du, was sie mit Elayne gemacht haben, Mutter?«
»Du meinst sie zu verlieren?« Darüber war Morgase noch immer wütend.
»Sie haben sie auf Missionen geschickt«, sagte er angewidert. »Sie haben mir verweigert, sie zu sehen, vermutlich weil sie sich irgendwo in der Welt in Gefahr brachte. Ich bin ihr später begegnet, außerhalb der Burg.«
»Wo war sie?«, fragte Morgase begierig.
»Hier im Süden. Meine Männer bezeichnen die Aes Sedai als Hexen. Manchmal frage ich mich, ob das wirklich so sehr von der Wahrheit entfernt ist.«
»Galad …«
»Nicht alle Frauen, die über die Eine Macht gebieten, sind grundsätzlich böse«, sagte er. »Das ist ein lange bewahrter Irrtum der Kinder. Der Weg des Lichts stellt diese Behauptung nicht auf; dort steht nur, dass die Versuchung, die Eine Macht zu benützen, korrumpieren kann. Ich bin der Ansicht, dass die Frauen, die
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