Die Türme der Mitternacht
Ungewöhnliches passiert.«
»Die Blase des Bösen hat das Dorf getroffen?«, fragte Perrin alarmiert. »Gab es Verletzte?«
»O nein«, sagte Tarn. »Das nicht. Im Dorf war alles in Ordnung. Sie haben nicht einmal bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Es geht um etwas anderes.« Tarn roch seltsam. Nachdenklich, besorgt.
Perrin runzelte die Stirn. »Was? Was ist passiert?«
»Ich … nun, ich muss gehen, mein Sohn«, sagte Tarn. »Ich muss das Lager verlassen. Ich weiß nicht, wann ich zurück bin.«
»Ist das…«
»Es hat nichts mit den Weißmänteln zu tun«, sagte Tarn. »Ich darf nicht viel sagen. Aber es geht um Rand.«
Die Farben wirbelten. Rand schritt durch die Korridore des Steins von Tear. Seine Miene war finster. Gefährlich.
»Perrin. Ich glaube, das ist etwas, das ich tun muss. Es hat mit den Aes Sedai zu tun, und ich muss dich jetzt verlassen. Ich kann nicht mehr sagen. Sie haben es mich schwören lassen.«
Perrin schaute Tarn in die Augen und entdeckte dort Ehrlichkeit. Er nickte. »Also gut. Brauchst du Hilfe? Jemanden, der dich begleitet, wo auch immer du hingehst?«
»Ich komme zurecht«, sagte Tarn. Er roch verlegen. Was ging da nur vor? »Ich versuche, dir Hilfe zu besorgen, mein Sohn.« Er legte Perrin eine Hand auf die Schulter. »Das hier hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich, und dein Vater wäre es auch. Mach weiter so. Ich sehe dich bei der Letzten Schlacht wieder, vielleicht auch früher.«
Perrin nickte. Tarn eilte zu seinem Zelt, vielleicht um zu packen.
Majestätisch auszusehen fiel schwer, wenn man auf einer Krankentrage auf Caemlyns Stadtmauer herumgetragen wurde, aber Elayne tat ihr Bestes. Manchmal war es wichtiger, das zu bekommen, was man wollte, als majestätisch auszusehen.
Bettruhe! Für eine Königin! Um Melfane nicht ständig im Nacken sitzen zu haben, hatte sie geschworen, nicht herumzulaufen. Aber sie hatte nichts davon gesagt, in ihrem Schlafzimmer zu bleiben.
Vier Gardisten trugen die Trage auf ihren Schultern. Elayne saß sicher zwischen Armlehnen. Sie trug ein blutrotes Gewand, hatte das Haar sorgfältig gebürstet und die Rosenkrone von Andor aufgesetzt.
Der Tag war schwül, das Wetter war warm geworden, obwohl der Himmel noch immer von Wolken verfinstert wurde. Sie gönnte sich einen Moment, um sich schuldig zu fühlen, weil sie den armen Männern befohlen hatte, sie in ihren Ausgehuniformen durch diese frühsommerliche Hitze zu schleppen. Aber diese Männer würden in ihrem Namen in die Schlacht reiten; sie konnten warmes Wetter ertragen. Davon abgesehen, wie oft bekamen die Gardisten wohl die Ehre, ihre Königin tragen zu können?
Birgitte ging neben dem Bett her, und der Bund verriet, dass sie sich amüsierte. Elayne hatte befürchtet, sie würde diesen Ausflug verhindern wollen, aber stattdessen hatte sie gelacht! Birgitte musste zu dem Schluss gekommen sein, dass die Aktivitäten dieses Tages kein Risiko für Elayne oder ihre Kinder darstellten - auch wenn sie Melfane sicherlich aufregen würden. Für die Behüterin bedeutete das die Gelegenheit, erleben zu können, wie Elayne durch die Stadt getragen wurde und albern aussah.
Elayne zuckte innerlich zusammen. Was würden wohl die Leute sagen? Die Königin auf einer Trage, die man zur äußeren Stadtmauer brachte? Nun, sie würde sich nicht von Gerüchten davon abhalten lassen, dem Test persönlich beizuwohnen, genauso wenig, wie sie sich von einer tyrannischen Hebamme herumkommandieren lassen würde.
Sie hatte einen erstaunlichen Ausblick von der Mauer. Zu ihrer Linken lagen die Felder, die nach Aringill führten; zu ihrer Rechten brodelte die Stadt vor Leben. Auch diese Felder waren braun. Berichte aus dem Reich waren schrecklich. Neun Felder von zehn waren verdorrt.
Elaynes Träger brachten sie zu einem der Türme an der Stadtmauer, dann gab es eine Verzögerung, als ihnen klar wurde, dass die Stangen der Trage zu lang waren, um durch das Treppenhaus im Turm zu kommen; die Demonstration sollte oben auf seiner Spitze stattfinden. Glücklicherweise gab es für solche Situationen Griffe. Sie entfernten die Stangen, nahmen die Griffe und gingen weiter.
Während man sie nach oben schleppte, lenkte sie sich mit dem Gedanken an Cairhien ab. Alle dortigen Adelshäuser behaupteten, es gar nicht abwarten zu können, dass sie kam und sich den Thron nahm, doch niemand bot ihr mehr als ein Lippenbekenntnis, wenn es um Unterstützung ging. Daes Dae’mar war in vollem Gange, und die Rangelei um die
Weitere Kostenlose Bücher