Die Türme der Mitternacht
beste Ausgangsposition für Elaynes Thronbesteigung - oder ihr Scheitern - hatte in dem Moment angefangen, in dem Rand seine Absicht erwähnt hatte, ihr diese Nation zu überlassen.
In Cairhien bliesen stets hundert verschiedene politische Winde in hundert verschiedene Richtungen. Sie hatte nicht die nötige Zeit, um sämtliche verschiedene Fraktionen kennenzulernen, bevor sie sich auf den Thron setzte. Davon abgesehen, betrachtete man sie als Mitspielerin im großen Spiel, würde man sie als jemanden betrachten, den man besiegen konnte. Sie musste eine Möglichkeit finden, den Sonnenthron zu ergreifen, ohne sich zu sehr in die örtliche Politik der Adelshäuser einzumischen.
Die Trage erklomm ächzend die Turmspitze. Oben stand Aludra mit einem ihrer Drachenprototypen. Die Bronzeröhre war relativ lang und steckte auf einem Holzrahmen. Das war bloß ein Modell. Ein zweiter, funktionierender Drachen war auf dem nächsten Turm entlang der Mauer aufgebaut worden. Das war weit genug weg, um Elayne bei einer Panne nicht in Gefahr zu bringen.
Die schlanke Tarabonerin schien sich keine Gedanken über die Tatsache zu machen, dass sie der Königin einer fremden Nation eine möglicherweise die Welt verändernde Waffe überließ; offenbar schien sich Aludra nur dafür zu interessieren, sich an den Seanchanern zu rächen, zumindest hatte Mat es so erklärt. Als Elayne mit Lucas Zirkus gereist war, hatte sie einige Zeit mit der Frau verbracht, aber sie war sich noch immer nicht sicher, wie vertrauenswürdig sie letztlich war. Sie würde sie von Meister Norry im Auge behalten lassen.
Immer natürlich vorausgesetzt, die Drachen funktionierten. Elayne warf noch einen Blick auf die Menschen in der Tiefe. Erst da wurde ihr bewusst, in welcher Höhe sie sich eigentlich befand. Beim Licht!
Ich bin sicher, erinnerte sie sich. Mins Sicht. Nicht, dass sie so etwas zu Birgitte sagte, das nicht mehr. Und sie wollte wirklich damit aufhören, so viele Risiken einzugehen. Das hier war kein Risiko. Nicht, wenn man es genau nahm.
Sie wandte den Blick ab, bevor ihr schwindlig werden konnte, und konzentrierte sich auf den Drachen. Er war im Prinzip geformt wie eine große Bronzeglocke, nur länger und schmaler. Wie eine gewaltige Vase, die man auf die Seite gelegt hatte. Elayne hatte mehr als einen Brief von den aufgebrachten Glockengießern der Stadt erhalten. Aludra beharrte darauf, dass ihre Befehle ganz genau ausgeführt wurden, und hatte die Männer gezwungen, die Röhre dreimal neu zu gießen.
Spät am vergangenen Abend war in der Stadt ein lauter Knall zu hören gewesen. Als wäre irgendwo eine Steinmauer umgestürzt oder ein Blitz eingeschlagen. Am Morgen hatte Elayne eine Nachricht von Aludra bekommen.
Erster Test ein Erfolg, hatte dort gestanden. Trefft mich heute auf der Stadtmauer für eine Demonstration.
»Euer Majestät«, sagte Aludra. »Euch geht es … gut?«
»Seid unbesorgt, Aludra«, erwiderte Elayne und versuchte ihre Würde zu bewahren. »Der Drache ist bereit?«
»Das ist er«, erwiderte Aludra. Sie trug ein langes braunes Kleid, und ihr langes, gelocktes schwarzes Haar fiel ihr offen bis zur Taille. Warum heute keine Zöpfe? Aludra schien sich nichts aus Schmuck zu machen, und Elayne hatte sie auch nie welchen tragen gesehen. In ihrer Nähe standen fünf Männer aus Mats Bande der Roten Hand, von dem einer etwas trug, das wie die Bürste eines Schornsteinfegers aussah. Ein anderer hielt eine Eisenkugel in den Händen, ein dritter trug ein kleines Holzfass.
Auf dem nächsten Turm konnte Elayne eine ähnliche Gruppe sehen. Dort hob jemand einen Hut in die Luft und winkte ihr zu. Anscheinend wollte Mat von dem Turm mit dem funktionierenden Drachen zusehen. Leichtsinniger Trottel. Was, wenn das Ding wie eine Nachtblume explodierte?
»Dann wollen wir mit den Demonstrationen beginnen«, sagte Aludra. »Diese Männer hier werden Euch vorführen, was auf dem anderen Turm geschieht.« Sie zögerte und sah Elayne an. »Ich finde, wir sollten Euer Majestät in die Höhe stemmen, damit Ihr das Schauspiel sehen könnt.«
Wenige Minuten später hatten sie ein paar kleine Kisten gefunden, die man unter der Trage stapeln konnte, sodass Elayne nun über die Turmzinnen schauen konnte. Anscheinend hatte man etwas auf einem fernen Hügel aufgebaut, allerdings war es zu weit weg, als dass sie die Einzelheiten ausmachen konnte. Aludra holte mehrere Ferngläser hervor und gab je eines an sie und Birgitte weiter.
Elayne hob das
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