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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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Etagen leuchteten und sahen aus, als seien sie von wässrigem Blut. Erst später ging mir auf, dass sich die untergehende Sonne und der flammende Himmel in ihnen spiegelten.
    Keine Menschenseele war zu sehen, auch kein Turmwächter. Ob wohl jemand in der Hütte war?
    Wiederum ließ ich den Hund am Schal riechen; diesmal begann er, mit dem Schwanz zu wedeln, und lief ohne Zögern auf die Türme zu. Ich folgte ihm vorsichtig; ab und zu musste ich warten, weil er auf dem Boden herumschnüffelte. Wir kamen zur Hütte und blieben stehen. Ich hielt den Atem an; die Tür war zu, aber ich sah einen Streifen Licht hindurchschimmern. Dann verließen wir die Hütte wieder und gingen weiter; nicht zum ersten Turm, sondern daran vorbei – über das hubbelige Feld zum zweiten Turm. Unmittelbar darunter blieben wir stehen; der Turm schien sich über uns zu neigen.
    Wie oft bin ich früher schon dort gewesen – wie viele Male bin ich durch die vier drehenden Türen hineingegangen … war es oft oder nie?
    Der Hund lief an den vier Türen vorbei; ich folgte ihm, an der lang gestreckten Vorderseite entlang (oder der Rückseite, wer weiß!), um die spiralförmige Treppe an der Schmalseite herum, die so unwahrscheinlich hoch und zerbrechlich aussieht, bis zu einer kleinen Türe daneben. Der Hund setzte sich davor und ließ einen eigenartigen Laut hören, so ein Mittelding zwischen Bellen und Winseln.
    Keine Metalltüre, kein gefährliches Zickzack-Zeichen … Ich suchte nach der Klinke, die an der falschen Seite saß. Die Tür war nicht verschlossen. Sie ließ sich nach innen öffnen, und ich blickte in einen langen Gang, in dem sich noch weitere Türen befanden.
    Durch ein paar kleine Fenster in der rechten Außenwand fiel noch etwas Licht herein, aber weiter hinten wurde der Gang immer dunkler. Jetzt wird es gleich völlig finster sein, dachte ich, und ich habe keine Taschenlampe bei mir …
    »Muss ich hier wirklich hinein?«, flüsterte ich. »Also gut, dann komm.«
    Der Hund wollte nicht, aber als ich ihm den Schal unter die Schnauze hielt, ging er doch mit – den Schwanz zwischen die Beine geklemmt.
    Der Gang war endlos lang und sehr staubig; ich hatte den Eindruck, auf dem Boden Fußspuren zu sehen. Es roch muffig, und überall liefen dicke Rohre entlang, die manchmal in der linken Seitenwand und in der Decke verschwanden. Die Türen waren allesamt verschlossen und ich dachte bei mir: Ob sich dahinter Hohlräume verbergen oder vielleicht Schlimmeres?
    Jetzt während des Schreibens weiß ich plötzlich, dass einige dieser Türen in ebensolchen scheunenähnlichen Räumen münden, wie ich sie unter dem anderen Turm gesehen habe – und eben habe ich in einem Gedankenblitz auch noch etwas anderes gesehen: Fahrzeuge aus glänzendem, lackiertem Metall mit vier Rädern. Wie komme ich nur darauf? Und wer war es, der etwas von »vierrädrigen Dingen« sagte, die »im Gras verrosten«?
    Es ist eben doch richtig, dass ich mit dem Schreiben fortfahre.
    Wir liefen durch den ganzen Gang, Téja leise trippelnd und ich mit viel zu lauten Schritten. Wir befanden uns natürlich im Parterre, und ich wusste, dass wir in der Halle landen würden, wo die vielen verschlossenen Kästchen sind und wo die quadratische Zelle ist, die auf- und niederschweben kann – in der Halle, in der die große Treppe beginnt. Und so war es auch; ich hatte Recht. Es war noch hell genug, um alles zu erkennen … falls man von erkennen sprechen kann. Es sieht genauso aus wie in dem anderen Turm.
    Ich ging automatisch auf die Türe zu, hinter der sich die Zelle befinden musste; aber der Hund schubste mich beiseite und lief dann schnüffelnd die Treppe hinauf. So stiegen wir nach oben; die erste Treppe, die zweite, die dritte, immer höher … Jedes Mal schaute ich durch die Glastüren auf die Galerien, und ich sah, wie die Farben des Himmels über den Dünen allmählich verblassten. Ich wollte »Herr Avla!« rufen, aber meine Stimme versagte. Nur der Hund hörte es und zitterte. Dann gingen wir endlich eine der Galerien entlang – ich weiß nicht einmal, welche, irgendwo in der Mitte vermutlich –, jedenfalls die erste Galerie, von der aus man über die Dünen hinweg das Meer sehen kann. Die Sonne hing niedrig über dem Wasser. Unmittelbar daneben stand der andere Turm, beinahe völlig schwarz. Ich blieb einen Augenblick stehen, umklammerte die Brüstung und blickte am Turm vorbei zur Stadt hinüber. Dort gingen schon einzelne Lichter an.
    Plötzlich erschrak ich.

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