Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
Vom Netzwerk:
Téja hatte sich vor eine der Türen gesetzt und jaulte zum Erbarmen – ja, es klang wirklich zum Erbarmen. Ich ging zu ihr hin, und vielleicht wären wir anschließend zusammen geflüchtet, wenn nicht die Türe aufgegangen wäre. Und da stand Herr Avla.
    Den nächsten Augenblick werde ich nie vergessen. Der Hund sprang wie wild an mir hoch und winselte: Geh nicht weiter, komm zurück! Geh mit mir zurück!
    Und währenddessen streckte Herr Avla mir seine Hände entgegen: »Tim, Tom – endlich bist du gekommen!«
    Der Hund knurrte und wich zurück. »Mach, dass du wegkommst«, sagte Herr Avla, und dann zu mir: »Komm schnell herein, sonst sehen sie mein Licht!«
    Der Hund jaulte noch einmal auf und rannte davon, die Galerie entlang. Vor der offenen Tür zum Treppenhaus blieb er stehen und schaute sich um, aber ich folgte ihm nicht und da verschwand er.
    »Schnell, komm herein«, sagte Herr Avla wieder. Und so ging ich mit hinein.
    »Sag, musst du diesen Hund nicht besser festhalten, damit er bei dir bleibt?«, fragte er besorgt. »Er kann uns sonst verraten!«
    »Dieser Hund«, sagte ich, »ist wahrscheinlich meine beste Freundin. Sie war es, die mich hierher geführt hat.« Ich schmiss ihm seinen Schal vor die Füße.
    Es war alles sehr eigenartig. Er hatte die Türen zugemacht und wir standen einander gegenüber, in einer kleinen Halle. Anschließend befanden wir uns in einem Zimmer; ich habe es mir nicht gut genug angesehen, um zu wissen, wie es aussah – kahl und trostlos, mit nur wenigen Möbeln, und das Bettzeug und ein paar Kissen lagen auf dem Fußboden. Eine brennende Lampe war da und vor dem Fenster hingen Tücher.
    Mitten in diesem Raum stand Herr Avla und schaute mich an. Er hatte sich nicht verändert; nur sein Haar war noch länger geworden und er hatte einen Stoppelbart.
    »Ich bin gekommen, um mir die Seiten wiederzuholen, die Sie aus meinem Büchlein gerissen haben.«
    Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Was drückte sein Gesicht eigentlich aus? Er schaute mich forschend an – aber nicht auf eine unangenehme Art und Weise, sondern ein wenig neugierig, dabei ziemlich ruhig und abwartend, ja, nicht einmal sehr überrascht.
    »Warum?«, fragte er.
    »Warum?«, sagte ich langsam. »Warum?« Ich war aufgebracht, durfte gar nicht daran denken, dass ich möglicherweise umsonst gekommen war. »Ich erinnere mich an alles!«, sagte ich ganz laut. Und obwohl das gelogen war, so hatte ich in dem Augenblick, in dem ich dies sagte, wirklich das Gefühl, dass es wahr sei. Ich nehme an, dass Herr Avla mir deswegen auch glaubte. Sein Gesicht begann zu strahlen – ja, wirklich zu strahlen, und das machte mich wieder unsicher.
    Er kann also kein Feind sein; er freute sich tatsächlich. »Siehst du wohl, siehst du wohl«, sagte er. »Das wäre nicht passiert, wenn ich dir die paar Seiten nicht weggenommen hätte. Wenn du dahinter gekommen wärst, wie man sie entziffern kann …«
    »In einem Spiegel«, unterbrach ich ihn.
    »Stimmt! Du hättest nichts davon verstanden; du hättest es zwar gewusst , aber nicht gefühlt .«
    Ich wurde immer unsicherer und sehr unruhig. Wann würde er merken, dass ich gelogen hatte? »Aber jetzt weiß ich alles«, sagte ich, »und darum will ich …«
    Er stellte sich dicht vor mich hin und flüsterte: »Wirklich alles? Auch das WORT?«
    Die Buchstaben zweier Wörter tauchten blitzartig in mir auf. MOIXA – AXIOM. »Damit hat es angefangen«, erwiderte ich und war erleichtert, dass ich nun endlich die Wahrheit sagen konnte.
    »Leise«, sagte er. »Ich bin so dankbar … Du kennst mich doch, Tim … Tom?«
    Beglückt wandte er sich von mir ab, aber er murmelte weiter vor sich hin: »Sicher, weil du noch jung bist … Ein größeres Anpassungsvermögen … Für die Jugend ist das Land nicht verschlossen …«
    »Ich will meine Blätter zurückhaben!«, rief ich.
    Plötzlich sah es so aus, als würde er doch wieder an mir zweifeln.
    »Weshalb?«, fragte er nochmals.
    »Als Beweis«, sagte ich.
    Anscheinend war dies die richtige Antwort, denn er nickte. Er schaute sich im Zimmer um; ich folgte seinem Blick und entdeckte die Kiste, die früher in der Hütte gestanden hatte. Er schlurfte dorthin, während ich vor Ungeduld am liebsten mit den Füßen gestampft hätte – vor Ungeduld, Angst und Neugier.
    »Beweis«, murmelte er und sah mich über die Schulter hinweg noch einmal an. In seinen Augen lag etwas Listiges, Raffiniertes. »Vielleicht ist es schwer zu glauben«, sagte er,

Weitere Kostenlose Bücher