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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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glücklich wissen möchte.«
    Ich ließ meinen Blick von ihm zu Téja hinüberwandern; doch sie hatte ihren Kopf vornübergeneigt, so dass ihr das Haar übers Gesicht fiel, und schaute mich nicht an. So blieb mir nichts anderes übrig, als wieder ihren Vater anzusehen.
    »Es mag ja sein, dass das andere Tagebuch tatsächlich aus deiner Feder stammt«, sagte er, »aber trotzdem ist es nicht wirklich von dir, denn du weißt ja nicht einmal, von wem es handelt. Es hat dir kein bisschen weitergeholfen.«
    »O doch«, begann ich. »Ich erinnere mich zwar nicht, aber ich verstehe nun mehr …« Das stimmte nicht. Im Gegenteil – ich verstehe immer weniger von allem. Manchmal bin ich so weit, dass ich an das andere Tagebuch nicht mal mehr glaube.
    »Begreifst du denn nicht, dass du hier und heute leben musst?«, sagte Jan. »Du erinnerst dich ja nicht einmal mehr an das WORT.«
    (Er hat es also selbst auch gelesen oder Téja hat es ihm erzählt.)
    Ich wusste nichts darauf zu sagen und schüttelte nur den Kopf.
    »Oder erinnerst du dich jetzt an das WORT?«
    »Nein.«
    »Und wenn es dir wieder einfiele, würdest du es dann aussprechen und zurückkehren?«
    Wann?, dachte ich. »Nein!«, sagte ich. Ich weiß es nicht, dachte ich. So sag doch auch etwas dazu, Téja. Irgendwo anders habe ich einen Vater und eine Mutter, einen Bruder (nehme ich an), der Hans heißt, einen Onkel in England (mit einem l), eine Katze …
    Laut fragte ich: »Glaubt ihr es denn? Glaubt ihr an das Axiom? Ja, wahrscheinlich. Die Spiegel …«
    »Ich weiß, dass es außer dieser noch andere Welten gibt«, sagte Jan. »Und ich meine, dass es am besten ist, wenn jeder in seiner eigenen Welt bleibt. Wenn aber jemand aus Versehen oder absichtlich in einer besseren Welt landet … denn diese Welt hier ist besser als deine eigene …«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich meine deine Welt, so wie sie in deinem Tagebuch geschildert ist. Warum wolltest du so gerne von dort weg? Einen ganzen Monat lang hast du über nichts anderes geschrieben – jedenfalls, wenn du es tatsächlich geschrieben hast. Dort fandest du es nicht schön in der Schule – hier wohl. Dort wohntest du in so einem schrecklichen Turm, ohne Garten. Ich habe zufällig gelesen, dass es dort ›beschissen‹ ist und hier ›herrlich‹.«
    Téja richtete sich ein wenig auf, so dass ich nun nicht mehr nur ihre langen Haare sah, sondern endlich auch ihr Gesicht. Sie schien weit weg und hatte ihre Augen zu Boden gesenkt. Aber ich wusste, dass ihre Gedanken um mich kreisten.
    Und Téja ist hier.
    »Gut, nehmen wir einmal an, dass du dies alles selbst geschrieben hast«, sagte Jan Davit, »dann hast du also den Ort erreicht, den du gerne erreichen wolltest. Du hast deine eigene Welt so weit hinter dir gelassen, wie es überhaupt nur möglich war: indem du sie völlig vergessen hast.«
    Nicht völlig, dachte ich.
    Jan redete weiter. »So ist also die Situation. Wenn du dich aber an alles erinnern würdest und aus dieser Welt verschwinden könntest, indem du ein WORT aussprichst, dann würdest du hier nicht mehr hingehören.«
    »Und dort ebenso wenig«, flüsterte ich. Denn dort gibt es keine Téja, dachte ich; aber ihr Vater schien meine Gedanken nicht zu erraten, denn er fragte: »Und weshalb nicht?«
    Ich antwortete, was mir gerade einfiel; doch alles, was ich sagte, entsprach der Wahrheit. »Weil ich mich dort nach hier sehnen würde, weil es hier wirklich wunderschön ist, und – aber das weißt du ja – wegen Téja … Und auch, weil ich nicht in einem Turm wohnen möchte; ich habe Angst vor den Türmen.«
    »Vielleicht fürchtest du dich vor den Türmen, weil du noch eine vage Erinnerung daran hast«, sagte Jan Davit.
    »Also stimmt das Ganze doch – ich komme dorther!«
    »Woher?«
    »Aus einer anderen Welt.«
    Ich wurde ungeduldig und böse, weil er so drum herum redete. Aber gleichzeitig wusste ich in diesem Augenblick ganz sicher, dass es wahr sein musste: Die von Angst geprägten, traumähnlichen Erinnerungen damals am Strand waren ein Beweis. Da hatte ich gerade das WORT ausgesprochen und befand mich während einer unmessbaren Zeitspanne in beiden Welten zugleich. 31)
    31) Siehe Seite 14. War der »jemand«, der etwas rief, vielleicht ich selbst? (Notiz des Verfassers)
    »Man kann nicht in zwei Welten gleichzeitig leben«, sagte Jan Davit. »Immer nur in einer einzigen. Und jetzt bist du einmal hier und vor ein paar Tagen fandest du es hier noch herrlich. Weißt du das WORT, mit

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