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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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stehe, wo mich jeder sehen kann. Warum eigentlich nicht? Man hat uns ja doch entdeckt und unter Arrest gestellt. Und man kann uns schließlich nicht zwingen zurückzugehen – selbst nicht unter der Voraussetzung, dass uns das WORT bekannt ist. Im Übrigen ist es noch fraglich, um welches Wort es sich handelt. Herr Alva und ich sind uns nicht einig, an welcher Stelle ein bestimmter Buchstabe stehen muss. Ich weiß jedoch genau, dass ich Recht habe …
    Er ist der Meinung, ich müsse zurückkehren. »Dein Tagebuch wimmelt ja nur so von der Frage ›Wer bin ich?‹«, sagt er. »Erst an dem Ort, wo du herkommst, wirst du wissen, wer du bist oder wer du warst. Deshalb musst du zurück.«
    Nein, nein und nochmals nein – ich tue es nicht!
    Ich muss mein Tagebuch unbedingt vervollständigen; ich habe viel zu wenig aufgeschrieben, wie es hier ist. Denn das, was ich niederschreibe, wird mir bleiben – auch dann, wenn ich es selbst nicht mehr weiß.
    Um es nicht zu vergessen: Ergänzungen 48)
    48) Von Tom auf losen Blättern notiert, ohne Datum, vermutlich in Eile geschrieben.
    Wie ist es möglich, dass Gras grüner ist als grün, wie ich am 4. März aufschrieb? Und doch, es war tatsächlich so; es war nass und von einer außergewöhnlich leuchtenden Farbe, fast zu intensiv, während sonst alles regengrau aussah. Auch das Geäst der Sträucher war grau und die kahlen Zweige der Bäume machten einen grauen und traurigen Eindruck. Nur die ganz niedrigen Sträucher saßen schon voller Knospen; einige blühten sogar schon – sie hatten lauter gelbe Glöckchen, die am schönsten in der Sonne aussahen. Heute wirkt das Grün wieder ganz anders; es sind viel mehr Blätter zum Vorschein gekommen seit den ersten Tagen, die ich hier verbrachte. (Ich habe den Turm vorhin doch für kurze Zeit verlassen; dann meinte ich, einen der Wächter zu sehen, und bin schnell wieder hineingeflüchtet.) Einige Baumstämme sind graubraun mit grünen Streifen oder fast ganz grün, wieder andere sind braun mit einer rauen Rinde.
    Über die blauen Blumen habe ich schon am 16. März geschrieben. An jenem Tag war es viel zu schön, um zur Schule zu gehen. Die Zeichnung ist übrigens nicht gut geraten. 49)
    49) Die zum Text gehörende Skizze erinnert ein wenig an eine Sternhyazinthe (Scilla).

    Ich müsste eigentlich viel mehr Zeichnungen anfertigen, aber das ist so schwierig und mir bleibt nur noch so wenig Zeit!
    Wenn ich über Téja schreiben will, kann ich einfach nicht weiter.
    »Meine Tochter«, sagte Jan Davit am 1. März. Und da saß sie, mir gegenüber am Tisch; sie lachte ein wenig und schaute mich an … nein, nicht neugierig … auch »interessiert« ist nicht richtig, es klingt zu schwach … Wie könnte ich sie je vergessen? Aber ich habe ja auch 15 Jahre meines Lebens vergessen, meine Eltern und alles andere.
    Ich möchte mich an die Kokardenblumen erinnern, die nur am Gefährlichen Pfad blühen. O ja, sie wachsen hier überall – aber sie blühen sonst nie im März. Haben sich die Blumen dort vor Schreck vorzeitig geöffnet, als das fensterlose Häuschen aus unserer Welt herabgepurzelt kam?
    Aber auch ich selbst kann die Ursache gewesen sein, oder Herr Alva: Wenn das WORT ausgesprochen wird, kann das Zeitgefüge einen Augenblick lang durcheinander geraten.
    Ich habe keine Ahnung, wer das Häuschen dorthin gebracht hat; ich war es jedenfalls nicht. Herr Alva sagt, er sei es auch nicht gewesen; ganz sicher weiß er es jedoch nicht. Es kann auch durch einen unglücklichen Zufall passiert sein. Er und ich sind nicht die Einzigen, die aus unserer Welt hier herübergekommen sind. Wo aber stecken die anderen, wo könnte man sie finden? Oder sind sie schon seit vier Jahren wieder weg? 50)
    50) Hier ist eine Notiz in Herrn Alvas Schrift beigefügt:
»Es gibt eine interessante Theorie: Weshalb sollte es nicht möglich sein, dass jemand in unserer eigenen Welt zufällig ein Wort ausspricht, durch das er die Dinge, die sich in seiner Nähe befinden oder an die er gerade denkt, in eine andere Welt befördert? Man erinnere sich an die Redewendung »jemanden auf den Mond wünschen«; man sollte auch bedenken, dass es mehr als nur das eine WORT gibt. Ich glaube, es gibt eine ganze Menge davon … (glaube oder fürchte ich es?)
Anhand dieser Theorie könnte man jedenfalls viele bisher unerklärliche Erscheinungen und manches rätselhafte Verschwinden erklären.«
    Eigentlich müsste ich eine Landkarte zeichnen und dort alles eintragen. Am Sonntag vor dem

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