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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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mitbringen, können nur deshalb hier sein, weil sie in unserer Vorstellung existieren: also Dinge, die wir kennen, an die wir uns erinnern, die wir uns gut vorstellen können. Mithilfe unseres Geistes und durch das Aussprechen eines bestimmten Wortes werden sie hier erneut in Materie verwandelt – ob es sich nun um Türme handelt oder um Kugelschreiber.
    Sobald alle Menschen aus unserer Welt wieder von hier weggegangen sind, werden – so behauptet Denosi – auch die Türme und alle anderen Dinge, die wir mitgebracht haben, sich verflüchtigen und verschwinden, weil sie nur dank unserer Geistigkeit greifbar sind (beziehungsweise scheinen).
    Als ich am 29. oder 30. Februar hierher kam, war ich vier Jahre lang weg gewesen. Während dieser Zeit sind die Türme nicht verschwunden. Das bedeutet, dass Denosi sich geirrt hat – oder aber, dass während der vergangenen Jahre andere Menschen aus unserer Welt hier geblieben sind.
    Für die zuletzt genannte Theorie scheint es ziemlich viele Beweise zu geben (meint mein Freund Vaal). Wahrscheinlich halten sich diese Leute jedoch verborgen, denn Fremde wie wir werden ja immer häufiger verfolgt und gefangen genommen oder aber zur Rückkehr gezwungen.
    Wenn wir nun alle fortgingen und unsere Tagebücher hier zurückließen, was würde dann damit passieren? Sie sind sowohl ein Teil von hier als auch von dort; und in den Worten, die wir darin niedergeschrieben haben, steckt eine gute Portion von unserem Geist …
    Ich schreibe dies für Tim auf – ich meine natürlich Tom –, und zwar am 28. Tag des Monats März.
    Der Junge hat das Verbot missachtet und ist weggegangen, in die Dünen hinein. Ich könnte mir vorstellen, dass er sogar zum Gefährlichen Pfad gegangen ist … der meiner Meinung nach nur in den Augen der Wächter gefährlich ist: Das Transformatorenhäuschen könnte ja eventuell unerwünschte Erinnerungen und Gedanken wachrufen. Aber selbst die Türme haben das nicht fertig gebracht, also … Trotzdem, Tom hat sein Gedächtnis nicht völlig verloren; immer wieder kommt ein Stück Erinnerung zurück. Sein altes Tagebuch hat eher dazu beigetragen als ihn daran gehindert; manchmal tut es mir Leid, dass ich es ihm damals weggenommen habe. Und ich finde es außerdem bedauerlich, dass er nicht mehr lange bleiben kann, denn wer weiß – vielleicht würde er dann …!
    Aber ich muss dafür sorgen, dass er nach Hause zurückkehrt; ich bin schuld daran, dass er hier ist. Meine Schuld ist es auch, dass er sich demnächst hin- und hergezerrt fühlen wird zwischen zwei verschiedenen Welten – es sei denn, er ließe sein Tagebuch hier zurück. Ja, es wäre besser, wenn er es nicht mitnähme; er ist noch so jung und kennt noch kaum seine eigene Welt. Andererseits ist gerade seine Jugend auch ein Vorteil …
    Er spricht das WORT ein bisschen anders aus als ich; zwei Buchstaben sind vertauscht. Ob ich wirklich zwei Buchstaben an eine andere Stelle setzen muss? Welches Wort erhalten wir dann?
    Nein – nicht mit dem Jungen experimentieren, Thomas Alva! Du bist für ihn verantwortlich. Vielleicht wäre es am besten, wenn du sein Tagebuch – da du es nun einmal in Händen hast – zurückbehalten und ihm nicht wiedergeben würdest.
    Und wenn er nicht nach Hause will, so musst du ihn schicken beziehungsweise mit ihm gehen; ja, wir werden gemeinsam gehen. Und er braucht dann niemals zu erfahren, was geschehen ist, inter menses februarium et aprilem ; so werden ihm Unruhe und Verdruss erspart bleiben. (Und falls er sich dann überraschenderweise doch erinnern sollte, dann ist mein Ziel, auf das ich hinarbeite, erreicht: eine offene Verbindung zwischen zwei Welten.)
    Später
    Tom ist wieder hier; er sieht viel besser aus. Er hat einen großen Strauß von den gelb-roten Blumen gepflückt – unverschämt groß, meiner Meinung nach. Es ist hier nicht üblich, so viel abzupflücken, und ganz gewiss nicht so schöne Blumen wie diese; sowohl mein Glas als auch der Wasserkrug sind damit gefüllt. Sie sind tatsächlich wunderschön, wie kleine Sonnen; schließlich haben wir auch hier heute Feiertag 58) ! Aber er hätte doch besser normale Frühlingsblumen gepflückt.
    58) Ostern
    Ich weiß nicht, wie diese hier heißen; ja, ich kann nicht einmal sagen, ob sie eigentlich hier oder dort zu Hause sind. Tom nennt sie »Kokardenblumen«.
    Er sagt, sie seien für das Mädchen Téja bestimmt; er will sie ihr persönlich bringen. Auf meine Einwände hört er nicht. Du liebe Güte, ich habe keine

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