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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Bronzearmreifen und Lederröcke. In der Saalmitte scharten sich die Menschen um die Ehrengäste der Tildon-Aquarien. Ja, vor drei Jahren noch wäre es anders gewesen. Aber jetzt …
    Jemand schrie gellend.
    Jon wirbelte herum und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Weitere Gäste schrien und wichen einem aus, der über die Tanzfläche torkelte.
    Jon hatte den Rand der entsetzten Neugierigen erreicht. Ein ältlicher Mann im grellroten Anzug, die Hände gegen die Augen gepreßt, schwankte auf dem Parkett. Sein scharlachroter Umhang bauschte sich auf, wickelte sich um seine Waden, um sich erneut aufzubauschen, als der Mann vornüber auf den Boden fiel.
    Klebriges Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, troff den Handrücken hinab und färbte seine scharlachroten Manschetten noch röter. Wieder schrie er schrill auf, dann wurde sein Schrei zu einem röchelnden Gurgeln.
    Der Mann versuchte sich auf ein Knie zu heben. Als er hochkam, war der weiße Stein darunter tiefrot gefärbt.
    Noch jemand hatte sich aus der Menge gelöst – ein schlanker, blonder Mann, ganz in Weiß gekleidet. Jon erkannte den König.
    Die scharlachrote Gestalt stürzte nun erneut, direkt zu Füßen Seiner Majestät, und rollte auf den Rücken. Ihre Hände fielen schlaff vom Gesicht, das sie bisher bedeckt hatten.
    Die Menge stieß einen fast einstimmigen Schrei aus. Jon biß die Zähne zusammen.
    Blut troff aus beiden Manschetten und Hosenbeinen. Klebriges Rot löste sich aus dem, was kurz zuvor noch ein Gesicht war. Der mächtige Brustkasten fiel zusammen, und das rote Tuch, das den Körper bedeckt hatte, sackte darauf, bis es schien, als bedecke es lediglich die fleischlosen Rippen. Eine Hand erhob sich noch etwa fünf Zentimeter vom Boden, dann fiel sie zurück. Die Knochen, und Knöchelchen lösten sich voneinander, während gleichzeitig der fleischlose Schädel sich von den Halswirbeln trennte und davonrollte.
    Durch die Menge hindurch sah Jon die rothaarige Gestalt der Herzogin sich auf den Eingang zu bewegen. Sofort folgte er ihr. »Jon«, flüsterte sie. »Weißt du, wer das war? Weißt du es?«
    »Ich weiß, wie es getan wurde, aber nicht, wer das Opfer ist.«
    »Das war Premierminister Chargill, der Vorsitzende des Rates.« Sie holte tief Luft. »Und jetzt verrätst du mir, wie es dazu kommen konnte.«
    »Als ich Gefangener in den Minen war, hatte ich dort einen Kameraden, der Toxikologe war und gern über seinen Beruf redete. Was man an Chargill benutzte, war Terenid, ein Zelltranquilizer auf Enzymbasis.«
    »Soll das heißen, daß die Zellen so erschlaffen, daß sie einander nicht mehr halten können?«
    »Ja, in etwa. Das Ergebnis hast du ja an Chargill gesehen.«
    Die Musik, die ausgesetzt hatte, erklang erneut. Eine Stimme überdröhnte sie über ein Lautsprechersystem: »Meine Damen und Herren, ich bedauere diesen unangenehmen Vorfall während meines Morgenballs zutiefst. Sie werden sicher verstehen, daß ich die Festlichkeit nicht fortsetzen kann und Sie bitten muß, sich zurückzuziehen. Unser Orchester wird nun für uns die Siegeshymne von Toromon spielen.«
    »Komm gleich mit mir in meine Suite«, flüsterte die Herzogin Jon zu. »Ich wollte dir schon zuvor etwas zeigen, doch nun ist es noch wichtiger.«
     
    Herzogin Petra hatte ihre eigene Suite im königlichen Flügel. Ein paar Minuten, nachdem sie den Ballsaal verlassen hatten, führte sie Jon durch die Dreifachtür in einen hellbeleuchteten Raum mit weichem Teppich. »Jon«, sagte sie. »Das ist Rolth Catham. Rolth Catham, das ist Jon Koshar, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
    Jon blieb mit halberhobener Hand stehen und starrte auf den – den Mann im Sessel. Er empfand das Bedürfnis, die Augen zu schließen und sie zu reiben, aber was er sah, würde sicher nicht verschwinden. Eine Hälfte von Cathams Gesicht war durchsichtig. Ein Teil seines Schädels war durch eine Plastikhülle ersetzt. Durch sie konnte Jon das künstliche Adernetz sehen, die Metallzähne in den Plastikkiefern und darüber einen Augapfel, der vor den grauen Gehirnwindungen schwebte, die zur Hälfte durch ein Gefäßnetzwerk verborgen waren.
    Nachdem Jon die erste Überraschung überwunden hatte, sagte er laut: »Catham. Catham von Cathams neuere Geschichte von Toromon! «
    Er war froh, daß er daran dachte und ihm half, den Schock zu mildern. »Wir benutzten Ihr Buch in der Schule.«
    Die drei Viertel von Cathams Mund, die aus Fleisch waren, lächelte. »Und Ihr Name ist Koshar? Besteht eine

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