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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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auf das Festland entführen. Er soll von Grund auf lernen, wie dieses Land wirklich aussieht, um es klug regieren zu können, wenn all diese Intrigen rings um uns ihren Höhepunkt erreicht haben.«
    Jons Züge verloren ein wenig von ihrem Zynismus. »Der König kann viel seiner Macht hinter dem Rat und der Regierung verbergen. Und während sie verborgen ist, läßt sich kein wahres Bild von ihr machen. Ist er geistesgestört, oder ist er sehr klug und gerissen?«
    »Er ist mein Vetter, und er war dein Schulkamerad. Was ist deine Meinung?«
    »Es sind große Geheimnisse mit dem Krieg verbunden. Aber gerade große Geheimnisse waren es auch, die die königliche Familie an der Macht hielten, seit sie sich selbst auf den Thron erhob und zu den Herrschern über dieses chaotische Bruchstück von Welt machte.«
    Die Herzogin nickte. »Meine Urururgroßväter zogen mit ihren Schiffen auf Raubzügen die Küste entlang, plünderten ihre Nachbarn auf den Inseln aus, indem sie benutzten, was an technischen Mitteln nach dem Großen Feuer übriggeblieben war. Die Strahlung auf dem Festland verhinderte ihre Expansion landeinwärts, und die heißen Strömungen außerhalb der Küste hatten die gleiche Wirkung. Aber als sie dadurch gestoppt wurden, kam ihnen der Gedanke, daß eine geordnete Regierung noch mehr und auf einfachere Weise erreichen würde, was sie bisher durch Piraterie erzwungen hatten. Toromon ist ein Land reich an Gegensätzen, aber es hat seine Grenzen. Sie lernten die Möglichkeiten innerhalb dieser Schranken zu nutzen, ohne sie auszubeuten, und so wurden sie zu einem Geschlecht von Königen und Königinnen. Nun scheint es soweit zu sein, daß die Macht in andere Hände übergeht. Aber erst müssen die neuen Machthaber das gleiche lernen.«
    »Wie immer auch deine Vorfahren es lernten, Petra, heute bezahlen Männer wie Tildon und mein Vater unvorstellbare Summen für die Anerkennung der königlichen Familie. Vielleicht weil sie ahnen, was du weißt.« Nun hob Jon die Karte auf. »Oder vielleicht, weil sie eingebildet und dumm sind. Für meinen Vater war es die schrecklichste Demütigung, daß ich das Königshaus beleidigt hatte und deshalb lebenslänglich in die Minen geschickt wurde. Und sein größter Stolz und Triumph wiederum war es, daß der König sich herabließ, persönlich zum Ball zu kommen, den Vater zu Ehren des Universitätsabschlusses meiner Schwester gab. Solange ähnliches sein höchstes Glück ist, kann der König Geld für seinen Krieg bekommen und die Namen auf seinen vorgedruckten Karten einsetzen.«
    »Ich wollte, ich könnte mir solch intellektuelle Dickfelligkeit gestatten.« Sie stützte ihr Kinn auf die Finger spitzen.
    Jon blickte sie fragend an.
    »Du bezeichnest deinen hysterischen Mord lediglich als Beleidigung.«
    Jon biß finster die Zähne zusammen.
    »Und du hast seit dieser ›Beleidigung‹ nicht mehr mit deinem Vater gesprochen. Wie willst du da wissen, was er wirklich empfindet?«
    Jon öffnete die Lippen, um sich zu verteidigen, aber sie sprach bereits weiter.
    »Wie einfach es für dich ist, deinen Vater, der immerhin tüchtig genug war, sich ein Vermögen durch geniale, wenn auch skrupellose, wirtschaftliche Ausbeutung zu erarbeiten, abhängig von dieser Eitelkeit zu nennen. Nein, das Problem von dieser Seite anzufassen, läßt zu viel offen …«
    »Petra!«
    Die Herzogin blickte überrascht auf. Sie fuhr sich über ihr leuchtend kupferfarbiges Haar, das von einer Klammer ineinanderverschlungener Seeschlangen gebändigt wurde. »Es tut mir leid, Jon.« Sie griff nach seiner Hand. »Wir sind alle schon viel zu lange hier. Aber wenn ich sehe, wie meine Familie, mein Volk sich solchen Illusionen hingeben kann, tut es ganz einfach weh. Es gibt ein Moralgefühl, das wie ein Barometer die Gesundheit eines Menschen oder eines Landes anzeigt. Ich weiß es selbst nicht so recht. Vielleicht hänge ich nur zu sehr an der Aristokratie, in die ich hineingeboren wurde, auch wenn ich mich davon abwandte, als ich noch sehr jung war. Und nun fühle ich mich offenbar wieder dazugehörig. Ich glaube, wir werden die Einladung annehmen, Jon Koshar.«
    »Ich verstehe. Kommt Arkor mit?«
    »Ja. Wir drei werden wieder benötigt.« Sie zögerte. »Sie setzten sich doch auch mit dir in Verbindung, nicht wahr? Der Herr der Flammen ist …«
    Jon schob das schwarze Haar aus der Stirn. »Ja.«
    Sie drehten sich um, als sie ein Geräusch hinter sich hörten. Die Tür öffnete sich, und ein Riese von fast

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