Die Tulpe des Bösen
richtiger Grabstein! Der war bestimmt nicht billig.«
»Er hat ihn verdient nach seinem harten Leben«, sagte Katoen.
Dann las Anna die Inschrift unter dem Namen und dem Sterbedatum: Er war ein guter Vater.
Mit feuchten Augen sah sie Katoen an. »Danke, Jeremias!«
Als Katoen eine Stunde später Anna der Witwe Gerritsen vorstellte, küßte diese Anna auf beide Wangen, wie sie es auch jeden Morgen und jeden Abend mit Felix tat. Zuweilen fehlte nicht viel, und die herzensgute Frau hätte auch Katoen mit mütterlichen Küssen bedacht.
»Das ist also die Frau, die unser Herr Katoen sich zum Heiraten ausgesucht hat«, sagte die Witwe in ihrer leutseligen Art. »Ich muß sagen, er hat eine gute Wahl getroffen.«
Katoen beeilte sich, Annas Reisetasche ins Haus zu tragen, bevor die beiden Frauen bemerkten, daß er errötete wie ein Kind.
Während sie in der Stube der Witwe auf das Abendessen warteten, das Greet Gerritsen zubereitete, kam Felix von der Schule heim. Katoen hatte öfter mit ihm über Anna gesprochen, und nie hatte der Junge erkennen lassen, daß er etwas gegen sie haben könnte. Jetzt aber verhielt er sich sehr zurückhaltend und gab, wenn Anna ihn etwas fragte, nur einsilbig Antwort.
Später, als sie in seiner Wohnung waren und Annas Tasche auspackten, sagte Katoen: »Es tut mir leid, daß Felix sich dir gegenüber schlecht benommen hat. Er wird sich an dich gewöhnen. In der Schule hatte er auch seine Schwierigkeiten, aber nach den ersten beiden Monaten ging es besser.«
»Ganz sicher wird er das. Ich an seiner Stelle wäre auch verärgert, wenn ich dich plötzlich mit jemandem teilen müßte.« Sie lächelte, doch dann wurde sie ernst und sagte: »Felix macht seinen Weg, das weiß ich. Aber was hat sich noch in Amsterdam getan, während ich fort war? Sind weitere Schritte gegen die Bruderschaft der Wohlmeinenden eingeleitet worden?«
»Nicht öffentlich. Insgeheim wurden die Magistrate aller großen Städte sowie die Versammlung der Generalstaaten in Den Haag unterrichtet. Inwieweit dort etwas unternommen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es ist sicher schwierig, weil wir davon ausgehen müssen, daß überall, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden, auch die Verschwörer mitzureden haben. Deshalb können wir nur hoffen, daß sie sich von dem Schlag, den wir ihnen hier in Amsterdam versetzt haben, nicht mehr erholen.«
»Was ist mit den festgenommenen Verschwörern geschehen?«
»Sie wurden unter der Auflage freigelassen, nie wieder einen Fuß auf niederländischen Boden zu setzen. Hoffentlich halten sie sich daran! Hätte man sie angeklagt, hätte das zu großes Aufsehen erregt. Vergiß nicht, für die Öffentlichkeit hat es die Tulpenverschwörung nie gegeben. Willem van Dorp hat, wie ich es ihm im Namen des Magistrats nahegelegt habe, Amsterdam und die Niederlande verlassen. Er soll nach Frankreich gegangen sein. Wer allerdings angeklagt wurde, ist Joan Blaeus Hauptkontorist, Barent Vestens. Ihm wurde zur Strafe die rechte Hand in siedendes Öl getaucht, und er ist ganz offiziell auf Lebenszeit aus den Niederlanden verbannt worden.«
»Und der Tulpenmörder?«
»Hartig? Auch gegen ihn wurde Anklage erhoben, wenn auch in einem nichtöffentlichen Verfahren. Man konnte ihn schlecht laufenlassen. Vielleicht hätte dieser Wahnsinnige einen Grund gefunden, neue Morde zu begehen. Oder er hätte verbreitet, was er über die Tulpe des Bösen wußte. Die Angehörigen der Bruderschaft sind nach außen hin ehrbare Bürger und werden schon deshalb nichts verraten, um ihre Existenz nicht zu gefährden. Hartig dagegen …« Er seufzte. »Ihm war nicht zu trauen, und er hatte den Tod mehr als verdient. Allerdings ist auch die Vollstreckung des Urteils unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgt; seine Leiche wurde nicht auf Volewijk aufgehängt.«
»Was haben sie mit ihm gemacht?«
»Sie haben ihm den Kopf abgeschlagen und beides, Leiche und Kopf, an einem unbekannten Ort verscharrt. Da er keine Angehörigen hatte, wird niemand nach ihm fragen. Für die Öffentlichkeit war er nichts als ein wahnsinniger Mörder. Insgesamt ist alles erstaunlich verschwiegen vonstatten gegangen, was auch dem behutsamen Vorgehen des neuen Amtsrichters zuzuschreiben ist.«
»Des neuen Amtsrichters? Diese Stellung hat man nicht dir angeboten nach allem, was du für Amsterdam und die Niederlande getan hast?«
Er schüttelte den Kopf.
»Das hast du doch nicht ernstlich erwartet, oder? Vergiß nicht, ich bin der
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