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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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– für alles. Und ich möchte das Grab besuchen.«
    Katoen war erleichtert. Wie oft hatte er sich ausgemalt, wie es sein würde, ihr das zu sagen, und in seiner Vorstellung war Anna immer vor Trauer und Selbstvorwürfen zusammengebrochen oder hatte ihm heftige Vorhaltungen gemacht, weil er sich nicht genügend um Sybrandt Swalmius gekümmert habe. Er mußte über sich selbst lächeln. Wie dumm er doch gewesen war und wie falsch er Anna beurteilt hatte! Sie war eine starke Frau, man durfte sie nicht unterschätzen.
    Neben ihr stand eine große Tasche, und Jeremias fragte: »Ist das dein ganzes Gepäck?«
    »Ja.«
    »Dann können wir es mit zur Noorderkerk nehmen.«
    »Warum nicht? Dort in der Nähe liegt ja auch unsere – meine – Wohnung.«
    »Nicht mehr. Ich habe sie nach dem Tod deines Ziehvaters aufgelöst. Da ich nicht wußte, wann du zurückkommst, fand ich es unsinnig, weiter die Miete zu bezahlen.«
    »Das war richtig so. Aber wo wohne ich jetzt?«
    Er räusperte sich. »Erst einmal bei mir am Botermarkt, dachte ich. Meine Wohnung ist groß genug. Die Kammer, die ich gar nicht richtig genutzt habe, ist schon für dich hergerichtet. Ein Bett steht auch drin.«
    Anna hob die Brauen, lächelte aber zugleich. »Ja? Hast du mir nicht erzählt, daß deine Wirtin es gar nicht schätzt, wenn ihre Mieter weiblichen Besuch erhalten?«
    »Seit sie sich um Felix kümmert, hat ihr weiches Herz den Sieg über ihre strengen Ansichten errungen. Der Junge tut ihr gut.«
    »Nicht nur ihr, glaube ich.«
    Katoen lachte leise. »Warum wißt ihr Frauen immer, was in uns Männern vorgeht, wir Männer aber nie, wie es in euch aussieht?«
    Anna lächelte. »Vielleicht wollt ihr das gar nicht wissen.«
    Er nahm ihre vollgepackte, schwere Tasche auf, und sie gingen durch Straßen, auf denen trotz des Gewimmels von Menschen und Lastschlitten der dämpfende Mantel winterlicher Stille lag, zum Jordaanviertel. Der kalte Wind schien die Menschen davon abzuhalten, viel miteinander zu reden. Sie schienen sich sogar langsamer zu bewegen, so als wollten sie ihre Kräfte sparen für Schneestürme, Nachrichten über irgendwo im Eis feststeckende Schiffe und alles, was der Winter noch für sie bereithielt.
    Katoen und Anna jedoch waren nicht so still. Er löcherte sie mit Fragen nach ihrer Reise und stellte gleich am Anfang die wichtigste: »Hattest du Erfolg in Konstantinopel?«
    »Wie man’s nimmt. Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich überhaupt bei jemandem vorsprechen durfte, der für mehr zuständig war als dafür, unliebsame Bittsteller abzuwimmeln. Der Mann hat mir dann zugehört und mir zu einer Unterredung mit seinem Vorgesetzten verholfen. Und so weiter. Schließlich habe ich mit einem hohen Beamten gesprochen, dessen Titel und Rang ich bis heute nicht kenne, aber er hat mir im Namen des Sultans gedankt und sogar ein Protokoll angefertigt, das ich unterschrieben habe. Da ich die Schrift des Protokolls nicht lesen konnte, weiß ich allerdings nicht, was drinsteht. Wozu auch? Wahrscheinlich liegt das Papier sowieso nur herum und wird von niemandem beachtet.« Sie seufzte. »Ich kann es nicht ändern. Ich habe getan, was in meiner Macht stand, um den Namen meines Vaters reinzuwaschen. Auf der Rückfahrt, in der dritten Nacht auf See, hatte ich jedenfalls einen Traum. Meine leiblichen Eltern sind mir erschienen, und sie sahen zufrieden aus.«
    Dann erzählte sie von ihrem Aufenthalt im großen, fremden Konstantinopel und von ihrer Rückreise, die von zahlreichen Hindernissen begleitet gewesen war, bis sie schließlich auf Malta festsaß. Erst auf einem großen Kauffahrer der Ostindischen Kompanie, der auf der Heimfahrt Malta anlief, um seine Vorräte aufzufrischen, war sie glücklich nach Hause gelangt. Der Ostindienfahrer, zu groß für den Amsterdamer Hafen, hatte gegen Mittag vor der Insel Texel Anker geworfen, und Anna war mit einem der Fährkähne, die zwischen Amsterdam und Texel fuhren, zurückgekehrt.
    »Hätte ich das alles gewußt, ich hätte mir noch mehr Sorgen um dich gemacht«, sagte Katoen, froh, daß jetzt sämtliche Fährnisse hinter ihr lagen. »Du solltest ein Buch schreiben über deine Erlebnisse, einen dieser abenteuerlichen Reiseberichte, wie dein Ziehvater sie so gern gelesen hat. Damit könntest du großen Erfolg haben.«
    Mittlerweile hatten sie die Noorderkerk erreicht und betraten den Friedhof, der mit seinen winterlich kahlen Bäumen eher trostlos wirkte. Katoen führte Anna zum Grab, und sie staunte: »Ein

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