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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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meisten ist er zu teuer.«
    »Für zwei Pfeifen wird es schon reichen, falls ich Euch auf ein Bier und eine Pfeife einladen darf.«
    Das Lächeln des Wirts wuchs sich zu einem breiten Grinsen aus. »Das dürft Ihr, Mijnheer, das dürft Ihr!«
    Sie setzten sich an einen Tisch nahe dem Ausschank, und bald erfüllte der würzige Duft des Tabaks den Raum. Erfreut stellte Katoen fest, daß er echten, unverschnittenen Virginia-Tabak rauchte. Vielfach hatte sich die Unsitte eingebürgert, ihn mit den billigeren einheimischen Sorten zu verschneiden. Die Pfeife und das Bier halfen ihm, sich zu entspannen. Die Wut, die ihn beim Anblick der Dirne ergriffen hatte, war verschwunden, und er spürte, daß er allmählich wieder klar denken konnte.
    »Seid Ihr Geert Willems, der Inhaber dieses Wirthauses?« fragte er zwischen zwei Pfeifenzügen.
    »Ja«, erwiderte sein Gegenüber zögernd, wie von plötzlichem Mißtrauen erfüllt. »Sind wir uns schon einmal begegnet?«
    »Nein, aber der Amtsrichter erwähnte vergangene Nacht Euren Namen«, sagte Katoen und stellte sich vor. »Wißt Ihr, was sich ereignet hat, nachdem einer Eurer Gäste dieses Haus verlassen hatte?«
    Trotz der rosigen Wangen verfinsterte sich die Miene des Wirts, und er nickte.
    »Wie habt Ihr davon erfahren?«
    »Dies ist ein Wirtshaus, da machen Neuigkeiten schneller die Runde als irgendwo sonst. Ein paar Nachtwächter waren heute morgen hier, um sich nach ihrem Dienst zu stärken. Sie haben erzählt, was bei der Zuiderkerk geschehen ist.« Willems schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Zinnbecher erzitterten. »Letzte Woche Jacob van Rosven und jetzt Balthasar de Koning, das ist ein herber Schlag für die ›Verehrer der Tulpe‹! Und ein böser Zufall.«
    »Wenn es etwas nicht ist, dann ein Zufall.«
    Katoen stellte die längliche Holzdose auf den Tisch und öffnete sie.
    »Was ist das?« fragte der Wirt.
    Katoen deutete auf die Tulpenbilder an den Wänden. »Das solltet Ihr eigentlich wissen.«
    »Das Blütenblatt einer Tulpe, das sehe ich. Sogar eines von einer sehr ungewöhnlichen Tulpe. Aber warum zeigt Ihr es mir?«
    »Das wißt Ihr also noch nicht«, brummte Katoen und erklärte dem Wirt, was es mit dem Inhalt der Dose auf sich hatte. »Ihr seht selbst, Mijnheer Willems, daß ein Zufall somit auszuschließen ist.«
    »Ja, schon, aber trotzdem verstehe ich es nicht. Warum tut jemand so etwas?«
    »Wenn ich das wüßte, wäre ich ein gutes Stück weiter. Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir ein paar Hinweise geben. Ihr scheint etwas von Tulpen zu verstehen. Vielleicht könnt Ihr mir sagen, was für eine Sorte das ist.«
    Während er das sagte, schob Katoen die Holzdose Willems direkt vor die Nase. Der Wirt nahm das Blatt vorsichtig heraus, hielt es ins Licht und betrachtete es eingehend. Sein anfängliches Staunen verwandelte sich zunehmend in Bewunderung.
    »Solch eine dunkle Färbung habe ich noch nie gesehen, diese Tulpe scheint tatsächlich tiefschwarze Blätter zu haben. Und dann die Flecken, erstaunlich in der Form und in der Kraft der Farbe. Allgemein findet man bei Tulpen streifenförmige Muster, aber solche Tropfen? Das muß eine sehr seltene und wertvolle Züchtung sein.« Fast andächtig legte er das Blatt zurück in die Dose. »Zu Zeiten meines Vaters, als das Tulpenfieber grassierte und unser Wirtshaus als eine der bekanntesten Tulpenbörsen galt, wäre für eine Zwiebel von dieser Tulpe ein Vermögen geboten worden.«
    »Hier wurde also mit Tulpen gehandelt?«
    »Ja, wie in so vielen Wirtshäusern damals, doch heute will kaum noch ein Wirt etwas davon wissen. Kaum einer nennt sein Haus noch nach einer Tulpe, was damals gang und gäbe war. Nun ja, ich kann’s verstehen, nicht wenige haben bei der Tulpenkatastrophe anno siebenunddreißig ihr gesamtes Vermögen verloren, und danach waren die Tulpen bei weitem nicht mehr so beliebt wie noch kurz zuvor. Nur zwei Häuser weiter auf der rechten Straßenseite, wenn Ihr Richtung Stadtmitte geht, wohnte so ein Pechvogel, Swalmius soll er geheißen haben. Ich war damals noch ein Kind, aber mein Vater hat die Geschichte oft erzählt. Dieser Swalmius war ein wohlhabender Mann und einer der größten Tulpenverehrer Amsterdams, aber nach dem Zusammenbruch des Tulpenmarktes mußte er sein Haus verkaufen, um seine Schulden zu begleichen; er war plötzlich bettelarm.«
    »Ich war damals auch noch klein, viel zu klein, um überhaupt etwas von dem Tulpenfieber mitzubekommen. Auch später habe ich nie ganz

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