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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Mörderin statt eines Mörders?« seufzte Katoen. »Sie muß sehr kräftig oder sehr geschickt im Umgang mit dem Messer ein, sonst hätte sie de Koning die Klinge nicht so tief in die Brust stoßen können.«
    Dekkert nahm seinen dunklen Hut ab und strich die hellen Locken zurück, die ihm in die Stirn gefallen waren. »Wenn diese Frau etwas mit dem Mord zu tun hat, muß sie nicht unbedingt die Mörderin selbst sein, sie könnte auch den Lockvogel gespielt haben. So wie die Dicke Dela den Lockvogel für den Kuppler Dircks abgegeben hat.«
    »Wo ihr die Nachtläuferin erwähnt, wir sollten zusehen, daß wir rechtzeitig zur Verhandlung kommen«, sagte Katoen.
    Die drei Männer betraten das Rathaus und eilten zu dem Schöffensaal an der rückwärtigen Seite. Die Verhandlung gegen die Dicke Dela hatte bereits begonnen, und der Amtsrichter bedachte die Nachzügler mit einem mißbilligenden Blick. Es überraschte Katoen nicht, daß Nicolaas van der Zyl höchstpersönlich den Vorsitz führte. Immerhin hatten der Kuppler und seine Nachtläuferin einige ehrbare Bürger bestohlen, und vielleicht wollte der Amtsrichter angesichts des Mordes in der vergangenen Nacht deutlich machen, daß er sich für die Sicherheit der Amsterdamer Bevölkerung einsetzte.
    Die Dicke Dela jedenfalls, die eigentlich Dela Oetgens hieß, fand keine Gnade vor seinen Augen; er verurteilte sie trotz all ihres Gewimmers und ihrer schluchzend vorgebrachten Beteuerungen, in Zukunft fromm und züchtig leben zu wollen, zu zwei Jahren Spinhuis. So hieß das Zuchthaus für Frauen, wo die Delinquentinnen durch harte körperliche Arbeit beim Spinnen zur seelischen und sittlichen Besserung geführt werden sollten.
    Kaum hatten die Gerichtsdiener die Nachtläuferin aus dem Saal geführt, da rief der Amtsrichter auch schon die Verhandlung gegen Jaepke Dircks auf. Der trug ein frisches Hemd, so daß nichts von den Peitschenhieben der vergangenen Nacht zu sehen war. Als er sich aber auf die Anklagebank setzte, stieß er einen Schmerzenslaut aus, was Katoen mit Genugtuung aufnahm. Er hegte keinen Zweifel daran, daß Dircks hinter allem steckte. Dela und dieser seltsame Junge waren nur seine Werkzeuge gewesen. So stellte Katoen es auch mit Nachdruck bei seiner Aussage dar, wobei sich das Gesicht des Kupplers verfinsterte.
    Aber als dieser selbst das Wort erhielt, schien er plötzlich wieder guter Laune zu sein, und bald erfuhren Katoen und alle anderen im Saal auch den Grund: Der Kuppler erbot sich, alles gestohlene Geld unverzüglich zurückzuzahlen und darüber hinaus das Doppelte der gesamten Summe an den Magistrat abzuführen, um eine Strafe zu vermeiden.
    Überrascht beugte van der Zyl sich vor. »Ihr wollt Euch freikaufen? Ja, habt Ihr denn so viel Geld?«
    »Ich habe es und kann jederzeit bezahlen.«
    Der Amtsrichter beriet sich kurz mit seinen Schöffen und sagte dann: »Euer Vorschlag findet die Zustimmung des Gerichts, Angeklagter. Nicht, um Euch zu schonen allerdings, sondern weil auf diese Weise der von Euch angerichtete Schaden wiedergutgemacht wird.«
    Enttäuschung und Wut ergriffen Katoen bei der Vorstellung, daß Dircks so davonkommen sollte.
    »Die Dirne wird bestraft, aber der Kuppler, der sie auf die Straße geschickt hat, soll einfach so gehen dürfen?« Er war aufgestanden und hatte diese Worte laut in den Saal gerufen.
    Van der Zyl sah ihn scharf an. »Ihr habt doch gehört, Amtsinspektor, daß der Angeklagte sich freikaufen will.«
    »Ja! Mit dem Geld, das er zusammengestohlen hat!«
    »Das zahlt er zurück, und mit der doppelten Summe kauft er seine Strafe ab«, belehrte ihn der Amtsrichter.
    »Dircks wird viel mehr Bürger ausgenommen haben als die, von denen wir wissen«, erwiderte Katoen. »Viele werden aus Scham geschwiegen haben. Vermutlich reicht das, was der Angeklagte denen gestohlen hat, mühelos für den Freikauf aus.«
    Dircks wandte sich an Katoen. »Das ist eine bloße Behauptung, die Ihr nicht beweisen könnt!«
    Van der Zyl nickte. »Der Angeklagte hat recht.«
    Katoen zeigte auf den Kuppler. »Wenn dieser Mann den Gerichtssaal ohne Strafe verläßt, wird das manch einem ein Ansporn sein, ihm nachzueifern.«
    Wieder steckten der Amtsrichter und die Schöffen die Köpfe zusammen, und anschließend verkündete van der Zyl: »Das Gericht sieht den Einwand des Amtsinspektors Katoen als berechtigt an, zumal der Angeklagte die Tat wiederholt begangen hat. Deshalb wird ihm der Freikauf unter der Auflage gestattet, daß er auf dem Platz

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