Die Tulpe des Bösen
Amt. Seit er damit gescheitert ist, hat er für keinen im Rathaus mehr ein gutes Wort übrig. Im Volksblatt sind schon einige Schmähschriften über die Stadtverwaltung erschienen, aber der Artikel über den sogenannten Tulpenmörder bereitet mir besondere Sorgen: Die Fakten, die dort angeführt sind, stimmen allesamt!«
»Das ist für einen Zeitungsbericht in der Tat außergewöhnlich«, sagte Dekkert.
Swildens’ Haus lag auf der rechten Straßenseite, neben einer der neumodischen Kaffeestuben, die seit ein paar Jahren in allen großen Städten entstanden. Diese hier war eine der ersten in Amsterdam. Die Tür zur Kaffeestube stand halb offen, und der strenge, würzige Duft kitzelte Katoen in der Nase. Er unterdrückte das plötzliche Verlangen nach einer großen Tasse Kaffee, mit Zimt gewürzt und mit Honig gesüßt, und zog nebenan an der Klingelschnur. Das schrille Läuten lockte einen jungen, mit Druckerschwärze beschmierten Mann vor die Tür, der sie bereitwillig zu Antonius Swildens führte, nachdem Katoen sich vorgestellt hatte.
Der Herausgeber des Amsterdamer Volksblattes residierte in einem erstaunlich kleinen Raum, der gerade mal Platz für Schreibtisch, Stuhl und zwei Bücherschränke bot. Den kleinen Rest freier Wand zierten zwei Ölbilder. Das neben dem Fenster zeigte einen großen Ostindienfahrer, der vor einer tropischen Küste ankerte, das zweite, das neben der Tür hing und auf das Swildens blickte, wenn er an seinem Tisch saß, war eine auffallend getreue Darstellung des Neuen Rathauses. Quälte der Mann sich selbst, indem er tagein, tagaus auf das Gebäude blickte, in das er so gern eingezogen wäre? Oder stachelte er damit seinen Haß an? Vielleicht beides, dachte Katoen, bevor er sich Antonius Swildens zuwandte.
Der mochte die Fünfzig schon überschritten haben, und seine verkniffene Miene half nicht, ihn jünger aussehen zu lassen. Er war fast vollkommen kahl, nur ein ergrauender Haarkranz zog sich um seinen Schädel. Ein ebenfalls ergrauter, spitzer Kinnbart verlieh ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Ziegenbock. Er war von schmächtiger Statur und wirkte ganz wie ein Mann, der sein gesamtes Leben am Schreibtisch verbracht hat.
»Soso, Amtsinspektor seid Ihr also?« Er maß Katoen, der mangels weiterer Sitzgelegenheiten mit seinen beiden Begleitern vor dem Schreibtisch stand, mit einem ausgiebigen Blick. »Was sucht Ihr dann hier? Ihr solltet Eure Zeit besser damit zubringen, auf den Straßen Amsterdams für Ordnung zu sorgen!«
Katoen trat einen Schritt vor und tippte mit dem Zeigefinger auf die neueste Ausgabe des Volksblattes, die auf dem Tisch lag. »Deshalb bin ich hier. Wer hat den Artikel über den Tulpenmörder geschrieben?«
Swildens lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch. »Warum sollte ich Euch das sagen?«
Katoen ahmte den hochnäsigen Tonfall nach. »Weil ich Euch sonst mit zum Rathaus nehme, das Euch ja sehr am Herzen zu liegen scheint. Dort werde ich Euch in den Geißelkeller sperren, bis Ihr meine Frage beantwortet.«
Swildens’ vorgebliche Ruhe wich Empörung. »Wie könnt Ihr es wagen, mir so etwas anzudrohen? Als Herausgeber des Amsterdamer Volksblattes habe ich großen Einfluß!«
»Der wird Euch nichts nutzen. Der Geißelkeller hat dicke Wände, da hört Euch niemand.«
»Ihr habt kein Recht, das zu tun!«
»Und ob ich das habe! Indem Ihr den Verfasser dieses Artikels schützt, deckt Ihr womöglich den Tulpenmörder und macht Euch dadurch mitschuldig an seinen Taten.«
»Wie das?«
»Euer Artikel, das muß ich Euch lassen, enthält eine Menge Einzelheiten, wahre Einzelheiten, von denen kaum jemand weiß. Da stellt sich mir die Frage, woher Euer Wissen stammt. Vielleicht vom Mörder selbst?«
Swildens blickte erst Katoen und dann die beiden Büttel an und schien abzuschätzen, ob sie imstande waren, zu tun, was Katoen angedroht hatte; schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die tintenfleckige Tischplatte. »Ich selbst bin der Verfasser des Artikels. Übrigens schreibe ich die meisten Beiträge im Volksblatt selbst. Jeder Herausgeber sollte das tun, vermeidet er dadurch doch lästige Auseinandersetzungen mit aufsässigen Schreiberlingen, die sich für wer weiß wen halten, bloß weil sie die Buchstaben des Alphabets sinnvoll zu Wörtern anordnen können.«
»Und wie habt Ihr Kenntnis von den Einzelheiten der Morde erlangt?«
Ein schneller Griff in eine
Weitere Kostenlose Bücher