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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Schublade, und Swildens legte Katoen ein Stück Papier vor. Es war ein Brief, verfaßt in einer seltsam eckigen Handschrift, und er begann mit dem Satz: ›Über folgende Umstände, über die der Amsterdamer Magistrat so eisern schweigt, solltet Ihr in Eurer Zeitung einmal berichten.‹ Was dann folgte, entsprach fast wörtlich dem Artikel, den Katoen in der Stube des Amtsrichters gelesen hatte.
    »Mir scheint, nicht Ihr habt den Artikel verfaßt, Mijnheer Swildens, sondern der Absender dieses Briefes. Wer ist es?«
    »Das weiß ich nicht. Der Brief ist in der Nacht unter der Haustür durchgeschoben worden, ein Absender ist nicht genannt.«
    »Die Schrift erkennt Ihr nicht?«
    Swildens schüttelte den Kopf. »Nein. Und wie auch? Diese Handschrift ist eindeutig verstellt, da bin ich mir sicher.«
    »Das mag sein. Die ungelenken, kantigen Buchstaben passen so gar nicht zu den geschliffenen Formulierungen. Und Ihr habt wirklich nicht die geringste Ahnung, wer der Verfasser sein könnte?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Es sollte mich nicht wundern, wenn es der Mörder selbst ist. Und wenn ich recht habe, Swildens, dann habt Ihr mit ihm gemeinsame Sache gemacht.« Als der Herausgeber betreten schwieg, fuhr Katoen fort: »Den Brief nehme ich mit. Und Euch rate ich dringend, auch nicht eine Zeile mehr über den Tulpenmörder zu veröffentlichen. Solltet Ihr Euch nicht daran halten, setzen wir dieses Gespräch im Rathauskeller fort!«

K APITEL 5
    Die Schönheit und der Tod
    N icolaas van der Zyl bewohnte ein großes Kaufmannshaus am Damrak, mit Blick auf das IJ. Der Damrak, der am Dam begann und ins IJ mündete, gehörte zu den breitesten Grachten Amsterdams, so daß auch verhältnismäßig große Schiffe auf ihm fahren konnten. Nur gutsituierte Bürger, in der Überzahl Kaufleute, wohnten hier, und an den Kais lagen zahlreiche Schiffe, Boote und Leichter. Der Ladekran, der unter dem Glockengiebel von van der Zyls Haus über das Wasser ragte, zeugte von der Zeit, als hier tatsächlich ein Kaufmann gelebt und das Gebäude nicht nur als Wohn-, sondern auch als Lagerhaus genutzt hatte. Van der Zyls Schwiegervater Wouter Jaelens war ein angesehenes Mitglied der Ostindischen Handelskompanie gewesen und hatte ein kleines Vermögen gemacht. Der Amtsrichter hatte dessen Tochter Hendrickje geheiratet, das einzige Kind, und nach dem Tod des Kaufmanns dessen Handelsbeteiligungen veräußert. Das Gebäude war zum reinen Wohnhaus geworden, einem sehr leeren Haus, seit van der Zyls Frau und seine beiden kleinen Kinder einige Jahre zuvor der Pest zum Opfer gefallen waren. Nun war es hell erleuchtet.
    Jeremias Katoen wurde vom Hausherrn und seiner Schwester, der Apothekerswitwe Catrijn, begrüßt. Die blonde Catrijn lebte nicht bei ihrem Bruder, sie führte nach dem Tod ihres Mannes dessen Apotheke am Kloveniersburgwal weiter, zusammen mit einem Apotheker, den sie als Partner ins Geschäft aufgenommen hatte. So hatte Katoen es jedenfalls gehört. Wenn ihr Bruder allerdings eine Gesellschaft gab, übernahm sie die Rolle der Gastgeberin. Sie hatte die Dreißig wohl schon um ein paar Jahre überschritten, war also nur eine Handvoll Jahre jünger als ihr Bruder. Aber sie war noch immer eine hübsche Person, und als sie Katoen mit freundlichen Worten und einem offenen Lächeln willkommen hieß, wurde ihm warm ums Herz.
    Der Amtsrichter nahm Katoen beim Arm und führte ihn in ein kleines Seitenzimmer, wo sie ungestört waren. Er füllte zwei Gläser mit Anislikör und bot seinem Gast eins an.
    »Nun, Katoen, was habt Ihr bei Antonius Swildens erreicht?«
    »Ich denke, er wird keine weiteren Artikel über den Tulpenmörder drucken«, antwortete Katoen und erzählte dem Amtsrichter, womit er Swildens gedroht hatte.
    »Und Swildens war nicht zutiefst empört?«
    »Doch, das war er, aber seine Angst vor dem Geißelkeller scheint größer zu sein als die Empörung.«
    Van der Zyl klopfte Katoen auf die Schulter. »Gut gemacht, sehr gut! Einen solchen Warnschuß hat Swildens schon lange verdient. Hoffen wir, daß er mit seiner Nörgelei über den Magistrat in Zukunft zurückhaltender ist.« Er leerte sein Glas und stellte es zu der Likörkaraffe auf die Anrichte. »Habt Ihr auch herausgefunden, woher der Verfasser des Artikels all die Einzelheiten wußte?«
    »Daher.« Katoen zog den Brief hervor, den er Swildens abgenommen hatte, gab ihn dem Amtsrichter und berichtete alles, was er darüber wußte. »Meine Büttel und ich haben sämtliche

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