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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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unterbinden. Ich habe schon nicht mehr geglaubt, daß meine Briefe an den Amsterdamer Magistrat etwas bewirken würden.«
    Auch Katoen trank von der heißen, süßen Schokolade, die in seinem Mund eine Vielfalt exotischer Aromen entfaltete und in seinem Magen eine wohltuende Wärme verbreitete, während er darüber nachdachte, wie er seinem Gastgeber die bittere Wahrheit am schonendsten beibringen konnte. Doch es gab keinen Königsweg. Unweigerlich würde er sich den Zorn des eigenbrötlerischen Mannes zuziehen, um dessen Hilfe er doch eigentlich bitten wollte.
    Und genauso kam es: Sobald Katoen den Irrtum des Tulpenzüchters aufgeklärt hatte – auf die behutsamste Art, die ihm zu Gebote stand –, schien dieser drauf und dran, vor Wut seine Tasse aus kostbarem chinesischen Porzellan umzustoßen. »Ihr … Ihr wollt mir gar nicht helfen? Alle sind gegen mich, wieder einmal, selbst die feinen Herren im Amsterdamer Magistrat! Aber weshalb seid Ihr dann hier?«
    Katoen versicherte van Dorp, daß er sich jederzeit an ihn und auch an den Magistrat wenden könne, wenn er Sorgen habe, und fuhr fort: »Für heute allerdings bin ich es, der Euch um Hilfe bittet. Überall in Amsterdam rühmt man Euch als den größten Tulpenkenner weit und breit, und daher hoffe ich, von Euch zu erfahren, um was für eine Tulpe es sich hierbei handelt.«
    Zunächst blickte van Dorp skeptisch auf den Inhalt der kleinen Holzdose hinab, doch rasch gewann der Tulpenliebhaber in ihm die Oberhand. Mit spitzen Fingern hielt er das schwarzrote Blütenblatt ins Licht und betrachtete es eingehend.
    »Das ist ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich«, sagte er schließlich und schaute Katoen an. »Eine schwarze Tulpe habe ich bisher nicht für möglich gehalten! Und dann dieses eigenartige Muster, auch da kenne ich nichts Vergleichbares. Woher habt Ihr dieses Blatt?«
    Katoen erklärte es ihm und fügte hinzu: »Noch ist es ein völliges Rätsel, warum der Mörder bei jedem seiner Opfer solch ein Blatt hinterlassen hat. Wenn Ihr mir sagen könntet, von welcher Tulpe es stammt, würde mir das vielleicht weiterhelfen.«
    »Dieses Blatt«, sagte van Dorp gedehnt, während er es unverwandt ansah, »stammt von einer sehr, sehr seltenen Tulpe.«
    »Und von welcher?« fragte Katoen ungeduldig.
    Van Dorp legte das Blatt zurück in die Holzdose und wandte sich seinem Besucher zu. »Das weiß ich nicht, ich habe solch eine Tulpe noch nie gesehen. Gerade das beweist aber, daß es sich um eine äußerst seltene Sorte handeln muß.«
    Enttäuscht sah Katoen auf das Blatt und dann wieder hoffnungsvoll zu dem Tulpenzüchter. »Vielleicht fällt Euch doch noch etwas ein, wenn Ihr eine Weile überlegt. Ihr besitzt so viele Bücher über Tulpen, möglicherweise findet Ihr in einem davon eine Abbildung, die zu diesem Blatt paßt.«
    Van Dorps rechter Zeigefinger wies auf das schwarze Blatt mit den blutroten Tropfen. »Diese Tulpe ist in keinem meiner Bücher abgebildet. Ich muß nicht nachschauen, um Euch das mit Sicherheit zu sagen. Ich kenne jede einzelne Abbildung und Beschreibung in den Büchern meiner Sammlung, und Ihr könnt getrost davon ausgehen, daß kaum jemand eine so große Sammlung an Tulpenbüchern sein eigen nennt wie ich.«
    Katoen blieb nichts anderes übrig, als die Dose wieder zu verschließen und einzustecken. Er war noch nicht ganz damit fertig, als draußen Geschrei und Gebell erscholl, begleitet von dem schrillen Bimmeln einer Glocke.
    »Alarm!« Van Dorp stemmte sich aus seinem Sessel. »Jemand hat den Alarm ausgelöst! Es ist die Glocke nach hinten raus!«
    Ungeachtet seines Alters lief er so schnell zum Hinterausgang, daß Katoen Mühe hatte, ihm zu folgen.

K APITEL 7
    Die Bluttulpe
    A ls Katoen hinter van Dorp ins Freie trat, staunte er erneut über die Vielzahl verschiedenfarbiger Tulpenfelder, die einander nach einem bestimmten Muster abzuwechseln schienen. Auch hier sorgte van Dorps Spiegelsystem für die Illusion eines wahren Tulpenmeeres. Katoen zwang sich, seinen Blick auf die nähere Umgebung zu richten, und sah ein Gemenge aus mehreren Menschen und dem großen, struppigen Hund, dessen Bekanntschaft er bereits gemacht hatte. Ebbo hielt ihn zwar an der Leine, konnte ihn aber kaum von zwei anderen Personen zurückhalten, die Katoen nicht kannte: einem kleinen, schmalen Mann ungefähr in van Dorps Alter und einer hochgewachsenen, dunkelhaarigen Frau, die er auf Anfang Dreißig schätzte. Der Mann lag mitten in einem Beet blau-gelber Tulpen und

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