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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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und immer wieder neue entdecken.«
    »Solange man nicht verheiratet ist, steht einem das auch bei den Frauen frei.«
    Van Dorps Miene war unzweifelhaft zu entnehmen, daß er an Katoens Bemerkung ganz und gar nichts Komisches fand. »Ihr scheint von der Tulpenzucht nicht viel zu verstehen, Mijnheer. Die Schönheit, die sich auf den Beeten rings um uns her entfaltet, ist mit vielen Jahren harter, hingebungsvoller Arbeit erkauft. Wißt Ihr, wie lange es dauert, bis aus dem Samen der Tulpe eine blühende Pflanze wird? Nein? Dann sage ich es Euch: sechs volle Jahre, zuweilen auch sieben. Und während dieser ganzen Zeit ist ungewiß, welche Farbe und welches Muster die Tulpe letztlich haben wird. Für einen leidenschaftlichen Züchter kann es ein Schicksalsschlag sein, wenn nach so langer Zeit nur eine mittelmäßige Tulpe wächst!«
    Katoen kratzte alles zusammen, was er jemals über die Tulpenzucht gehört hatte, und erwiderte: »Aber Ihr seid doch gar nicht darauf angewiesen, jede einzelne Tulpenzwiebel aus einem Samen zu ziehen. Ist es nicht vielmehr so, daß eine Tulpe, hat sie erst einmal geblüht, an ihrer Zwiebel Auswüchse bildet, die man Brutzwiebeln nennt und aus denen man in viel kürzerer Zeit neue Tulpen ziehen kann?«
    »Oho, jetzt werft Ihr Euch aber in die Brust. Gleich werdet Ihr mir auch noch erklären, daß bei der Tulpenzucht mittels der Brutzwiebel nicht nur der Zeitraum kürzer, sondern auch die Wahrscheinlichkeit größer ist, daß die neue Tulpe ihrer Mutter ähnelt, wie?«
    »Ist es denn so?« fragte Katoen unsicher.
    »Ja, es ist so, und trotzdem ist das kein Wundermittel für uns Züchter. Mehr als zwei oder allenfalls drei Tulpenzwiebeln könnt Ihr im Jahr nämlich kaum von einer Mutterzwiebel ernten, und schon nach wenigen Jahren ist die Mutterzwiebel mit ihren Kräften am Ende und stirbt ab. Nein, nein, wie Ihr es auch dreht und wendet, mein Geschäft ist ein sehr mühevolles. Damit ich die Früchte meiner Arbeit besser genießen kann, habe ich dieses Spiegelsystem ersonnen, das aus einem Teich von Tulpen ein ganzes Meer werden läßt.«
    »Ihr seid ein ebenso leidenschaftlicher wie erfinderischer Mann, Mijnheer van Dorp.«
    Der Tulpenzüchter bedankte sich für das Kompliment und lud Katoen ein, ihm in sein Haus zu folgen. Ebbo und der Hund blieben ungeachtet des Regens draußen zurück, um, wie Katoen annahm, das Anwesen zu bewachen. Im Haus nahm eine ältliche Dienstmagd, die auf den Namen Male hörte, Katoen Hut und Umhang ab und brachte ihm ein großes Wolltuch, damit er sich ein wenig abtrocknen konnte. Auch der Hausherr erhielt solch ein Tuch. Ihre verschmutzten Stiefel tauschten sie gegen schwere, warme Pantoffeln. Nur ein Paar stand bereit, und Male benötigte einige Zeit, um ein zweites zu bringen. Daraus ersah Katoen, daß van Dorp tatsächlich nur selten Besuch empfing.
    Van Dorp führte ihn in einen Salon mit großen Fenstern, von denen aus man einen herrlichen Blick auf die Tulpenbeete hatte. Das Spiegelsystem tat seine Wirkung, und von hier aus schien es tatsächlich, als sei das Haus eine kleine Insel in einem Tulpenmeer.
    An den Wänden hingen Ölbilder, die Tulpen mit seltener Zeichnung zeigten. Da Katoen solche Tulpen noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte, nahm er an, daß es sich um wertvolle Exemplare handelte. Ein Bücherschrank, der nahezu ausschließlich Bücher über Tulpen enthielt, nahm beinahe eine gesamte Wand in Anspruch.
    »Ich habe nicht gewußt, daß es so viele Bücher über Tulpen gibt«, murmelte Katoen, während Male die von ihrem Herrn bestellte heiße Schokolade servierte.
    »Schwer zu sagen, ob es mehr Tulpensorten oder Bücher über dieselben gibt. Wenn Wissenschaft sich mit Leidenschaft mischt, ist dies stets eine äußerst fruchtbare Beziehung.« Genießerisch nahm van Dorp einen kleinen Schluck von seiner Schokolade. »Die Tulpen da draußen sind natürlich das Eigentliche, die Bücher hier gäbe es ohne sie nicht. Und doch sind sie sicherer, beständiger. Die Tulpen verblühen, wenn sie nicht sogar vorher von heimtückischen Dieben gestohlen oder von verblendeten Irren getötet werden!« Es hörte sich an, als sei das Leben einer Tulpe für ihn mindestens so wertvoll wie das eines Menschen. »Leider kommt das immer wieder vor, und ich kann meine Pflanzen nur durch aufmerksame Wächter und eine ausgeklügelte Warnanlage beschützen. Aber jetzt seid Ihr ja da, Mijnheer Katoen, um die Übergriffe auf mein Eigentum im Namen der Obrigkeit zu

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