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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Blaeu und dessen Hauptkontorist Barent Vestens von Katoens nächtlicher Mission. Die Kartenschnapper gingen zwar davon aus, daß Blaeu einen Boten schickte, aber sie wußten nicht, wer dieser Bote war und aus welcher Richtung er kam. Doch je weiter Katoen sich seinem Ziel näherte, desto mehr mußte er damit rechnen, ihnen aufzufallen.
    Er fühlte sich weit weniger sicher als zwei Nächte zuvor, und das hatte zwei Gründe. Zum einen waren die Kartenschnapper ungleich gefährlicher als der Kuppler Jaepke Dircks, und zum anderen war Katoen diesmal allein und unbewaffnet. Erst nachdem er Blaeu versprochen hatte, für ihn als Bote aufzutreten, hatte der Kartenmacher ihm eröffnet, daß er, um die im Schreiben der Kartenschnapper festgelegten Bedingungen zu erfüllen, keine Waffen bei sich tragen dürfe. Auf seinen Protest hatte Blaeu kühl erwidert, daß er für sechshundert Gulden schon etwas wagen müsse. Jetzt, da sein Ziel in unmittelbarer Nähe lag, hätte Katoen gern einen Teil seines Lohns dafür gegeben, ein Paar geladener Doppelpistolen bei sich zu tragen. Er hätte die Waffen natürlich unter seinem Umhang verbergen können, aber er mußte damit rechnen, durchsucht zu werden. Deshalb hatte er den schweren Spazierstock mitgenommen, den er in der rechten Hand hielt und den die Kartenschnapper hoffentlich nicht als Waffe einstuften.
    Als der Grüne Papagei nur noch zwei Gehminuten entfernt war, blieb er stehen und lauschte in die Nacht. Er hörte nichts als die zur Nachtzeit hier am Hafen üblichen Geräusche: die nicht ganz astreine Melodie einer Sackpfeife und nicht recht dazu passenden Gesang aus rauhen Seemannskehlen; helles Frauengelächter, zu schrill, um wirklich fröhlich zu klingen; Hundegebell und das Kreischen der Möwen. Alle menschlichen Laute kamen aus der Ferne, denn der Grüne Papagei und die Gebäude ringsum standen leer. Ihr Holz war derart morsch, daß jederzeit mit ihrem Einsturz zu rechnen war. Deshalb hatte der Magistrat ihre weitere Nutzung untersagt, und jetzt warteten sie darauf, eingerissen zu werden. Die Kartenschnapper hatten diesen verlassenen Ort geschickt gewählt.
    Er hörte und sah nichts Verdächtiges und wurde doch das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden. Ähnlich wie am Abend zuvor auf dem Weg zu Catrijns Haus. Mit den Jahren hatte er ein Gespür dafür entwickelt, fast fühlte es sich an wie ein zweites Paar Augen, das nach hinten schauen konnte, und ein zweites Paar Ohren, das auch noch die leisesten Geräusche wahrnahm. Zudem hielt er es für mehr als unwahrscheinlich, daß die Kartenschnapper wirklich nur einen einzigen Mann schickten, um den Austausch abzuwickeln. Immerhin mußten sie damit rechnen, daß Joan Blaeu sich nicht an die Bedingungen hielt und die Behörden informierte. Nein, Katoen ging fest davon aus, daß die Diebesbande im verborgenen lauerte, um ihrem Abgesandten im Notfall beizustehen.
    Der kalte Nachtwind frischte auf, und er setzte seinen Weg fort. Als er auf den dunklen Klotz, der einst den Grünen Papagei beherbergt hatte, zutrat, vernahm er ein merkwürdiges Geräusch, ein monotones Klopfen. Dann sah er auch schon die Ursache: Der große Holzpapagei, der einst über dem Eingang der Schenke gehangen hatte, schaukelte jetzt kopfüber, nur noch an einem losen Draht hängend, im Wind und stieß mit dem spitzen Schnabel wieder und wieder gegen die Holzwand wie ein übergroßer Specht.
    Das leichte Kribbeln in Katoens Nacken, in der Regel ein untrügliches Alarmzeichen, blieb, aber noch immer war weit und breit niemand zu sehen. Durch einen schmalen Gang neben dem alten Wirtshaus gelangte er auf den Hinterhof, wo es erbärmlich nach Unrat und totem Getier stank. Hier hielt sich gewiß niemand freiwillig auf, und so war es der perfekte Ort für den geplanten Austausch.
    Die Wolken hatten sich gegen Abend verzogen, und das blasse Licht der Gestirne sorgte dafür, daß man selbst in diesem verlassenen Teil des Labyrinths etwas sehen konnte, aber letztlich waren es auf mittlere und größere Entfernung doch nur grobe Umrisse. Katoen hielt sich dicht an der Rückwand des Grünen Papageis, was es schwerer machte, ihn zu sehen, und versuchte seinerseits zu erkennen, was die Schatten am anderen Ende des Innenhofs verbergen mochten. Der Hof war ungewöhnlich groß; früher, als der Grüne Papagei noch eine zwar verrufene, aber von See-und Schauerleuten gern aufgesuchte Schenke gewesen war, hatte man hier Ring-und andere Wettkämpfe ausgetragen.
    Plötzlich erscholl

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