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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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verhindern will, daß die gestohlenen Karten in fremde Hände gelangen.«
    »Vielleicht wäre das angesichts der geforderten Summe für Euch das kleinere Übel, Mijnheer Blaeu.«
    »Da irrt Ihr. Was mir Sorgen bereitet, ist weniger die Möglichkeit, daß einer meiner Konku…, ähm, Kollegen die Karten für seine Zwecke nutzen könnte. Vielmehr geht es um meine Reputation, die beschädigt würde, wenn sich herumspräche, daß die Kartenschnapper mich bestohlen haben. Auch andere Kartenmacher möchten für die Ostindische Kompanie arbeiten und würden jede Gelegenheit nutzen, mich in ein schlechtes Licht zu rücken.«
    Das klang dann doch eher nach Konkurrenten als nach Kollegen, fand Katoen, aber diesen Gedanken behielt er für sich.
    »Da ist mir ein begrenzter finanzieller Verlust, den ich dank meiner gut laufenden Geschäfte ausgleichen kann, lieber«, fuhr Blaeu fort. »Der Austausch der gestohlenen Karten gegen das Geld soll heute um Mitternacht stattfinden, in der Gegend am Hafen, die auch Labyrinth genannt wird. Der Abgesandte der Kartenschnapper erwartet den Geldboten auf dem Hof eines ehemaligen Wirtshauses, Zum Grünen Papagei. Kennt Ihr den Ort?«
    Katoen nickte. »Ich bin in der Gegend oft unterwegs, das bringt mein Beruf mit sich. Der Grüne Papagei war in der Tat eine üble Spelunke. Ein Segen für alle ehrlichen Bürger, daß es den Laden nicht mehr gibt. Aber sagt, sind zwölftausend Gulden nicht eine immense Summe für einen einzelnen Geldboten?«
    »Die Kartenschnapper wollen keine Münzen haben, sondern kleine Wechsel in Höhe von fünfzig bis einhundert Gulden, ausgestellt von der Amsterdamer Wechselbank«, erklärte Blaeu.
    Vestens stieß ein mürrisches Schnauben aus. »Trotzdem ist es viel Geld für einen einzelnen. Ich habe mich angeboten, es zu den Kartenschnappern zu bringen, aber das wolltet Ihr ja nicht, Joan.«
    Blaeu warf ihm einen beschwichtigenden Blick zu. »Ich weiß deinen Mut ebenso zu schätzen wie deine körperliche Stärke, Barent, aber das allein genügt nicht, um es mit den Kartenschnappern aufzunehmen. Die Rolle des Boten muß jemand übernehmen, der sich mit solchen Leuten auskennt, der weiß, wie sie denken, und eine Falle schon auf große Entfernung wittert.« Er wandte sich wieder Katoen zu. »Kurz gesagt, ein Mann wie Ihr, Mijnheer Katoen!«
    »Ich soll für Euch den Geldboten spielen?«
    »Ja, das sollt Ihr. Und es soll sich für Euch lohnen. Ich weiß wohl, daß das, worum ich Euch bitte, nicht zu Euren Aufgaben als Amtsinspektor gehört. Seid Ihr erfolgreich und bringt mir die gestohlenen Karten zurück, so soll Euch als Lohn ein Zwanzigstel der geforderten Summe zustehen.«
    »Sechshundert Gulden? Das ist mehr, als ich in zwei Jahren verdiene.«
    »Daran könnt Ihr erkennen, wie viel Eure Hilfe mir gilt. Also, wie sieht es aus, kann ich auf Euch zählen?«
    »Das könnt Ihr!« versicherte Katoen nach nur kurzem Überlegen.
    Die Summe, die Joan Blaeu ihm bot, war natürlich verlockend. Aber eigentlich hatte ihn etwas anderes bewogen, das Angebot anzunehmen. Nach wie vor vermutete er, daß Blaeu, was den Bericht des mittelalterlichen Kreuzfahrers betraf, ihm gegenüber nicht aufrichtig gewesen war. Warum? Wenn er sich in Blaeus Dienste stellte, gelang es ihm vielleicht, hinter das Geheimnis des Kartenmachers zu kommen.

K APITEL 9
    Ein unerwartetes Wiedersehen
    W ährend er tiefer und tiefer in das mitternächtliche Labyrinth eindrang, fragte Jeremias Katoen sich, ob er zu leichtfertig gewesen war, als er ungefähr zehn Stunden zuvor dem Kartenmacher Joan Blaeu versprochen hatte, für ihn den Geldboten zu spielen. Oder, besser, den Wechselboten, dachte er mit Blick auf den schweren Lederbeutel, den er mit der linken Hand hielt. Darin befanden sich die verlangten Wechsel; die Kartenschnapper würden keine Schwierigkeiten haben, damit überall in den Niederlanden und auch außerhalb der Landesgrenzen zu bezahlen wie mit barer Münze. Die Amsterdamer Wechselbank genoß in allen zivilisierten Ländern Anerkennung, und die Summen auf den Wechseln waren so klein, daß niemand mißtrauisch werden würde.
    Nicht nur vor den Kartenschnappern mußte er sich in acht nehmen. Im Labyrinth war zu dieser späten Stunde mit Halunken jedweder Art zu rechnen, die einem schon für einen Bruchteil dessen, was Katoen bei sich trug, den Hals durchschnitten. Blaeu würde wenig erfreut sein, wenn die Wechsel von irgendwelchen Strolchen geraubt wurden. Zum Glück wußte niemand außer Katoen,

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