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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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festgenommen hatte, war ein dummer Zufall. Mir war nicht bekannt, daß er mit den Kartenschnappern in einem Boot sitzt. Und noch etwas, Mijnheer Vestens: Falls Eure Reputation tatsächlich Schaden nehmen sollte, so habt Ihr und Joan Blaeu Euch das selbst zuzuschreiben. Ihr hättet Eure wertvollen Karten besser gegen Diebe sichern sollen, dann wäre Euch all das erspart geblieben. Ich habe immerhin vergangene Nacht mein Leben aufs Spiel gesetzt, während Ihr in Eurem warmen Bett gelegen habt!«
    Er war immer lauter geworden, und die von Vestens bemängelte Gelassenheit war ihm abhanden gekommen. Es gefiel ihm überhaupt nicht, daß er hier zum Sündenbock gemacht werden sollte.
    Vestens wollte etwas erwidern, wurde aber durch eine beschwichtigende Geste des Kartenmachers zurückgehalten.
    Zu Katoen sagte Blaeu: »Ihr habt recht mit Eurem Vorwurf, was unsere Nachlässigkeit betrifft. Aber da die Kartenschnapper in den vergangenen Monaten so gut wie gar nicht von sich reden machten, haben wir uns sicher gefühlt. Zu sicher, wie wir jetzt wissen. Das Kind ist nun einmal in den Brunnen gefallen, und wir können uns nur bemühen, es wieder herauszuziehen. Mijnheer Katoen, ich habe nach wie vor unbegrenztes Vertrauen in Eure Fähigkeiten. Zum Beweis gebe ich Euch zehn Prozent Eurer Erfolgsprämie vorab.« Er legte einen schweren kleinen Lederbeutel mit klingenden Münzen vor Katoen auf den Tisch. »Das Geld gehört Euch auf jeden Fall. Nehmt es für Eure Mühen und für die Schmerzen, die man Euch zugefügt hat. Jetzt möchte ich wissen: Habt Ihr einen Vorschlag, wie wir vorgehen sollten?«
    »Wir könnten versuchen, über Jaepke Dircks an die Kartenschnapper heranzukommen«, antwortete Katoen, während er die sechzig Gulden einsteckte. »Ich habe meine Leute bereits angewiesen, nach ihm zu suchen. Durch ihn könnten wir erneut mit den Kartenschnappern in Verbindung treten und den Irrtum der vergangenen Nacht aufklären.«
    »Das hört sich vielversprechend an«, sagte Blaeu.
    Vestens rutschte unruhig auf seinem Schemel hin und her. »Ich weiß nicht recht. Wieso sollte dieser Dircks Euch helfen, wenn er nicht gut auf Euch zu sprechen ist?«
    Katoen lächelte kalt. »Ich werde ihn schon dazu bringen.«
    Das Kribbeln in seinem Nacken war wieder da!
    Katoen hatte die Werkstatt des Kartenmachers verlassen und schickte sich an, die Nieuwe Kerk an ihrer Stirnseite zu umrunden, als ihn ein ähnliches Gefühl befiel wie in der Nacht zuvor. Waren es in der Nacht die Kartenschnapper gewesen, deren unsichtbare Anwesenheit ihn alarmiert hatte, oder der Mann mit der schwarzen Maske, der gewiß nicht zufällig beim Grünen Papagei aufgetaucht war? Egal, dachte Katoen und wischte die Frage beiseite. Jetzt sollte er seine Gedanken besser auf den gegenwärtigen Verfolger richten, wer immer es auch sein mochte.
    Er blieb vor dem Eingang zur Nieuwe Kerk stehen und tat, als lese er die verschiedenen Aushänge, die an einer großen Holztafel befestigt waren, um auf Gottesdienste und andere Veranstaltungen hinzuweisen. In Wahrheit beobachtete er aus den Augenwinkeln den regen Verkehr auf der Straße.
    Unter dem kaum bewölkten Morgenhimmel, der wie ein leuchtend blaues Tuch über Amsterdam lag, herrschte reges Treiben. Von Pferden oder Ochsen gezogene Lastschlitten brachten Waren von oder zu den Anlegestellen am Damrak und am Singel; die Schlitten wurden innerhalb Amsterdams gern anstelle von Lastkarren benutzt, deren Räder sich bei den vielen geschwungenen Brücken, die über die Grachten führten, als untauglich erwiesen hatten. Händler trugen ihre Waren in großen Kiepen zum Markt. Hausfrauen und Dienstmädchen waren mit Körben unterwegs, um die Einkäufe für den Tag zu tätigen.
    War einer von ihnen ein geheimer Verfolger, vielleicht gar der Unbekannte mit der Maske? Oder verbarg sich jemand hinter den Linden, die den Singel dort drüben säumten? Er vermochte es nicht zu sagen, aber es reute ihn, daß er nicht den Stockdegen bei sich führte, sondern nur den Dolch an der rechten Hüfte. Womöglich war es nicht nur ein einzelner Verfolger.
    Jagten ihn die Kartenschnapper? Ein Angriff auf einen Amtsinspektor mitten am Tag und in dieser belebten Gegend, das konnte er sich kaum vorstellen, zumal die Kartenschnapper bislang mehr durch gewieftes als durch gewalttätiges Vorgehen bekannt geworden waren. Andererseits hatten sie beim Grünen Papagei bewiesen, daß sie auch vor äußerster Brutalität nicht zurückschreckten.
    Abrupt drehte er

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