Die Tulpe des Bösen
seine Karten mit etwas Glück doch noch zurückerhalten würde.
Im Lachenden Schwan warteten Vater und Tochter Swalmius. Sie hatten noch nichts bestellt, wohl weniger aus Höflichkeit als vielmehr wegen ihrer schmalen Börse. Katoen ließ für alle Brot, Käse und einen Krug Bier auftischen und erkundigte sich nach dem Befinden von Sybrandt Swalmius.
»Besser, danke«, sagte der Alte. »Es tut mir leid, daß ich einmal mehr die Gewalt über mich verloren habe, aber allein der Gedanke an dieses neue Buch, das Blaeu drucken will, hat mich rasend gemacht.«
»Warum nur?« fragte Katoen. »Es gibt doch bereits unzählige Bücher über Tulpen, was kann eines mehr da schaden?«
»Viel, sehr viel sogar! Die alten Bücher befinden sich im Besitz von wenigen reichen Tulpenfreunden wie van Dorp. Aber das neue wird, wenn es nach Blaeu geht, großes Aufsehen erregen und große Verbreitung finden. Damit lockt er neue Menschen an, sich mit der Tulpe zu beschäftigen, und manch einer wird in den Bann der Teufelsblume geraten!«
Während er sprach, wurde Swalmius immer lauter. Offenbar erregte ihn das Thema noch immer.
Anna ergriff eine seiner Hände und streichelte sanft über den altersfleckigen Handrücken. »Wir sollten über etwas anderes sprechen!«
»Ja«, pflichtete Katoen bei. »Zum Beispiel über Euren Dolch. Ihr seid ja eine wahre Meisterin im Umgang mit der Waffe.«
Anna lächelte, aber es war ein aufgesetztes Lächeln, das keinen Einblick in ihr Innerstes erlaubte. »Ich habe früh gelernt, auf mich selbst achtzugeben. Die Waffen einer Frau sind dann am wirkungsvollsten, wenn sie unerwartet eingesetzt werden.«
»Diese Art von Waffen erwartet man bei einer Frau allerdings nicht.«
»Ich möchte mich bei Euch bedanken, Mijnheer Katoen«, fuhr Anna fort.
»Das habt Ihr schon getan.«
»Nur mit Worten. Mein Vater und ich leben in bescheidenen Verhältnissen, wie Ihr gesehen habt, und doch würden wir uns sehr freuen, wenn Ihr heute abend zum Essen unser Gast wärt.«
»Ich fühle mich geehrt, aber wir sollten das an einem anderen Abend nachholen. Für heute habe ich bereits eine Einladung. Außerdem habe ich noch bei einer ehemaligen Kneipe im Labyrinth eine wichtige Mission zu erfüllen, wenn auch erst eine halbe Stunde vor Mitternacht.«
»Wart Ihr deshalb bei Blaeu?« fragte Anna.
»Ja«, antwortete Katoen und fragte sich, ob die Saat seiner Lüge aufgehen würde.
K APITEL 13
Die Waffen einer Frau (2)
A ls Katoen am Damrak entlangschritt, wurde dort, obwohl der Abend nahte, noch fleißig gearbeitet. An den Kränen, die aus den Dachspeichern der Kaufmannshäuser ragten, hingen Netze und Kisten, die nach oben gezogen oder auf die im Wasser dümpelnden Frachtschiffe und Lastkähne hinabgelassen wurden. Es herrschte ein wahres Gewimmel von Schiffen, Kähnen und Booten, und Katoen bewunderte die Schiffer, die es immer wieder verstanden, Zusammenstöße zu vermeiden.
Auf einer Höhe mit ihm hatte soeben ein mit großen Weinfässern beladener Kahn abgelegt und trieb, wie es aussah, geradewegs auf ein Ruderboot zu, aber dem Steuermann gelang es verblüffenderweise, den Kahn an dem Boot vorbeizuleiten und Kurs aufs IJ zu nehmen. In der großen Bucht, an die Amsterdam sich schmiegte, ankerten die Frachtschiffe, die aufgrund ihrer Größe nicht in den Damrak einfahren konnten und zum Aufnehmen und Löschen ihrer Fracht auf die Lastkähne angewiesen waren.
Aber nicht nur Weine und Gewürze, Felle und Stoffe, Holz und Porzellan wurden hier umgeladen, auch für zahlreiche Reisende war der Damrak der Weg, über den sie in die Stadt gelangten oder sie verließen. An der Nieuwe Brug legte ein Passagierschiff an, und ein Teil der Ankommenden würde sicher zur Freude der Herbergsväter die Nacht über oder auch länger in Amsterdam verweilen. Die anderen würden sich, begleitet von bezahlten Führern und Lastenträgern, zu einer der vielen Treckschuten begeben, die, von Pferdegespannen gezogen, Amsterdam auf dem Wasserweg mit anderen Städten verbanden. Wenn der Dam das Herz Amsterdams war, so konnte der Damrak mit Fug und Recht als seine Hauptlebensader bezeichnet werden.
Aber nicht überall wurde hart gearbeitet. Am Kran eines der großen Häuser, schon nahe am IJ, hingen keine Waren, und nicht ein Lastkahn hatte davor festgemacht, sondern eine kleine Jolle. Es war der Anlegeplatz am Haus des Amtsrichters, der neben seiner Schwester an dem Segelboot stand und einen großen Korb an Bord hievte. Als er Katoen
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